Der Standard

Schnitt ins eigene Fleisch

- Colette M. Schmidt

In Zeiten, da Medien mit sozialen Netzwerken, die ohne jede Qualitätsk­ontrolle Behauptung­en in den Äther blasen, um das Vertrauen der Bürger ringen müssen, gilt noch mehr als sonst: allergrößt­e Vorsicht, sorgfältig­e Arbeit. Mit dem Beitrag über den Wahlkampf des FPÖSpitzen­kandidaten Markus Abwerzger leistete der ORF Tirol den seriösen Medien, zu denen er selbst gehört, einen Bärendiens­t. Die Wahlkampfr­eportage zeigt – ganz am Ende –, wie Abwerzger einem alten Mann lauscht, der mehr oder weniger bedauert, dass man nicht mehr „stinkerte Juden“sagen dürfe. Abwerzger wirkt als Zuhörer nicht gerade entspannt, eher erstarrt. Ganz am Ende nickt er. Und Cut!

In der später vom ORF ausgestrah­lten Version sieht man, dass Abwerzger den antisemiti­schen Sager sehr wohl postwenden­d zurückwies. Wenn das den Zusehern absichtlic­h vorenthalt­en wurde, ist das unredlich. Passierte das nur in der Eile, ist es doch unverständ­lich. Denn natürlich will man wissen, was ein Politiker daraufhin sagt.

Was jetzt nicht übrig bleibt: dass in Österreich immer noch ein stinkender Antisemiti­smus brodelt und sich Leute nicht einmal dafür genieren, diesen auf der Straße zu zeigen. Was jetzt übrig bleibt: dass ein „Systemmedi­um“einen FPÖ-Politiker zu Unrecht ins „rechte Eck“rückte. Die Spitzen der Partei können sich über Extramunit­ion freuen. Da ist es egal, dass sie auch bei seriösen Berichten über einschlägi­ge blaue „Einzelfäll­e“oft „Fake-News!“grölen.

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