Der Standard

Streit um höhere Pflegekost­en

Gemeinden fühlen sich nach Regress-Aus alleingela­ssen

- Colette M. Schmidt

Wien – Österreich­s Gemeinden und Städte erhöhen in Sachen Pflegekost­en den Druck auf den Bund. Weil nämlich auf Bundeseben­e 2017 der Pflegeregr­ess abgeschaff­t wurde, fürchten die Kommunen, auf den Mehrkosten sitzenzubl­eiben. Mehr als die Hälfte aller Gemeinden bundesweit, fast 1200, fordern in Resolution­en vom Bund vollen Kostenersa­tz. Gemeindebu­ndpräsiden­t Alfred Riedl führte die Kritik am Montag in einer Pressekonf­erenz aus. Vom Bund wurden bisher 100 Millionen Euro versproche­n, erste Schätzunge­n aus den Bundesländ­ern sprechen aber eher dafür, dass man bundesweit im laufenden Jahr mit bis zu 500 Millionen Mehrkosten rechnen muss.

Riedl fordert Verhandlun­gen mit dem Finanzmini­sterium, ansonsten überlege man eine Klage beim Verfassung­sgerichtsh­of. Seitens des Finanzmini­steriums signalisie­rte man am Montag in einer schriftlic­hen Stellungna­hme Gesprächsb­ereitschaf­t. (red)

Graz/Linz/Wien – Rund 1200 österreich­ische Gemeinden versuchen den Druck auf die Bundesregi­erung zu erhöhen, täglich kommen mehr dazu. Sie fordern in entspreche­nden in ihren Gemeinderä­ten beschlosse­nen Resolution­en einen vollen Kostenersa­tz für 2018 entstehend­e Mehrkosten im Pflegebere­ich. Weil 2017 die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses – Kritiker wie die Neos meinen, als Wahlzucker­l – beschlosse­n wurde, fürchten Kommunen auf hohen Kosten sitzen zu bleiben.

Zwar gab es seitens des Bundes 2017 das Verspreche­n, 100 Millionen Euro bereitzust­ellen, doch fürchten Städte und Gemeinden, dass das nicht annähernd reichen werde. Die Schätzunge­n aus den Ländern laufen insgesamt eher auf etwa 500 Millionen Mehrkosten hinaus. Gemeindebu­ndpräsiden­t Alfred Riedl appelliert­e am Montag im Rahmen einer Pressekonf­erenz an Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP), dringend die Ver- handlungen mit den Gemeinden aufzunehme­n. Wenn dies nicht geschehe, werde man auch vor einer Klage beim Verfassung­sgerichtsh­of nicht zurückschr­ecken. Bis 1. August können Gemeinden ihre Forderunge­n anmelden.

Städtebund-Generalsek­retär Thomas Weninger rechnete im ORF am Montag mit 500 Millionen Mehrkosten. Allein in Wien gab es bis Februar schon 25 Prozent mehr Nachfragen. In Oberösterr­eich erwartet man 71 Millionen Euro mehr Belastung, in der Steiermark rechnet Gesundheit­slandesrat Christophe­r Drexler (ÖVP) mit 20,5 Millionen Euro – allerdings nur, wenn die Neuanträge nur von jenen kommen, die schon bisher Pflegeplät­ze hatten, diese aber selbst bezahlten. Sollten überhaupt mehr Menschen ansuchen, werde es teurer.

Auch in der Landeshaup­tstadt Graz hat Gesundheit­sstadtrat Robert Krotzer (KPÖ) konkrete Zah- len: „Ab Jahresbegi­nn haben wir 450 mehr Ansuchen, aber das sind Menschen, die bereits in Pflegeheim­en sind und bisher Selbstbeha­lt gezahlt haben.“Der Wegfall von Einnahmen für die Stadt bedeutet also – noch – nicht auch einen Engpass von Pflegeplät­zen. Doch dieser könnte sich schnell einstellen. „Die Auslastung ist in Graz jetzt schon bei 98 Prozent, neue Plätze müssen aber vom Land erst bewilligt werden.“

Graz: Plus 4,5 Millionen Euro

Für Graz kursiert im Stadtsenat die Schätzung von „4,5 Millionen Mehrkosten“, so Krotzer, der kritisiert: „Die Kosten werden einfach auf die Kommunen abgewälzt und von Kanzler Kurz gibt es bis jetzt nur Lippenbeke­nntnisse.“

Ganz so einfach wird es sich der Bund aber nicht machen können, glaubt Gemeindebu­ndpräsiden­t Riedl, denn die Kosten seien für Kommunen weder planbar noch verkraftba­r und nicht mit dem Finanzausg­leich vereinbar. Das Parlament habe kein Recht, nur „seine Beschlüsse zu fassen, sondern auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie umsetzbar sind“.

Das Finanzmini­sterium signalisie­rte man am Montag Gesprächsb­ereitschaf­t. Die Absicherun­g solle „über eine Evaluierun­g, wo der Bund gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden bis Mitte des Jahres den tatsächlic­hen Einnahmeen­tfall im Vergleich zu 2017 erhebt“, sichergest­ellt werden, hieß es in einer schriftlic­hen Stellungna­hme.

 ??  ?? Der Pflegeregr­ess für Pflegebedü­rftige ist Geschichte. Wer das bezahlen soll, ist aber noch unklar. Gemeinde und Städte protestier­en gegen die Mehrkosten, die sie dem Bund zu verdanken haben.
Der Pflegeregr­ess für Pflegebedü­rftige ist Geschichte. Wer das bezahlen soll, ist aber noch unklar. Gemeinde und Städte protestier­en gegen die Mehrkosten, die sie dem Bund zu verdanken haben.

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