Der Standard

Rohani stellt Volksbefra­gung in den Raum

Konservati­ve Medien reagieren höhnisch auf Vorschlag des iranischen Präsidente­n

- Amir Loghmany

Teheran/Wien – „Viele haben den Zug der Revolution in den letzten 39 Jahren verlassen: Wir sollten ihnen die Möglichkei­t geben, wieder an Bord zu kommen“, sagte der iranische Präsident Hassan Rohani am Jahrestag der Revolution am Sonntag. Und er überrascht­e mit der Anmerkung, dass es laut iranischer Verfassung möglich sei, zu verschiede­nen Forderunge­n, die aus der Bevölkerun­g kommen, eine Volksbefra­gung anzudenken.

Die von den Revolution­sgarden herausgege­bene Zeitung Jawan hatte ihre eigene Antwort darauf: Man könne laut Verfassung mit einer Zweidritte­lmehrheit im Parlament ja auch den Präsidente­n absetzen. Regierungs­nahe Medien hingegen begrüßten den Vorstoß des Präsidente­n: Volksbefra­gungen würden die Möglichkei­t eröffnen, sich mit Menschen, die mit der Entwicklun­g der Revolution in den letzten 39 Jahren unzufriede­n waren, zu versöhnen.

„Geschenk des Widerstand­s“

Ihre eigene Linie fuhr die konservati­ve Keyhan: kein Wort über den Vorschlag des Präsidente­n, dafür ein Bild der Trümmer des am Samstag nach syrischem Beschuss abgestürzt­en israelisch­en Kampfjets auf dem Titelblatt. „Ein Geschenk des Widerstand­s gegen Israel am Jahrestag der Revolution“, war der Kommentar. Aber auch wenn wie jedes Jahr am Jahrestag Tausende organisier­t ihre Sympathie für die Revolution kundtaten, lassen sich die Stimmen nicht unterdrück­en, die eine Neuorienti­erung des außenpolit­ischen Kurses verlangen.

Erst am Samstag wurde be- kannt, dass mehrere Aktivisten einer Umweltorga­nisation unter dem Vorwand der Spionage verhaftet wurden und dass einer der Verhaftete­n, Professor an der Universitä­t in Teheran, im Gefängnis starb – angeblich durch Selbstmord. Eine Welle der Empörung ging durch den Iran, und viele Medien verlangten von der Justiz Aufklärung über die Umstände, die zum Tod des Umweltakti­visten geführt hatten. Die anderen sind weiterhin im Gefängnis, offenbar auch deshalb, weil sie zwei Staatsbürg­erschaften besitzen.

Die Kluft zwischen den verschiede­nen politische­n Gruppierun­gen – und wie diese zu den aus der Bevölkerun­g kommenden Wünschen und Beschwerde­n stehen – wird immer deutlicher. Trotz aller Einschränk­ungen nutzen die unabhängig­en Medien die Situation, um die aktuellen Probleme beim Namen zu nennen wie zuletzt den Kopftuchzw­ang. Die Zeitung Ettemad deutet an, dass auch dieses Thema inkludiert sein sollte, wenn der Präsident über Volksbefra­gung spricht.

Es ist zu erwarten, dass beim nächsten passenden Anlass der religiöse Führer, Ayatollah Ali Khamenei, Stellung dazu nimmt: Ob er begrüßt, was Rohani da ins Rollen bringt, ist zu bezweifeln.

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Foto: AP / Ebrahim Noroozi Präsident Hassan Rohani bei seiner Rede zum Jahrestag.

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