Der Standard

Prostituti­onsskandal kommt Oxfam teuer zu stehen

Der Imageschad­en für die NGO ist groß, seit bekannt wurde, dass Mitarbeite­r Prostituie­rte engagiert haben. Nun drohen ihr größere Spendenver­luste. Das Problem betrifft aber auch andere Organisati­onen.

- Kim Son Hoang

Oxford/London/Wien – „Wir haben Angst vor dem, was als Nächstes kommt“, zitierte der Guardian einen Mitarbeite­r von Oxfam. Die internatio­nale Hilfsorgan­isation mit Sitz im britischen Oxford steht seit Freitag in den Schlagzeil­en. Die Zeitung The Times hatte aufgedeckt, dass Mitarbeite­r 2011 im Zuge der Erdbebenhi­lfe auf Haiti Prostituie­rte engagiert hätten. Von „Orgien“und „Sexpartys“war in britischen Medien die Rede. Dann wurde es komplizier­t.

Berichte, wonach die Prostituie­rten von Spendengel­dern bezahlt wurden, wies Oxfam prompt zurück. Ebenso, dass manche der Frauen minderjähr­ig gewesen seien. Die NGO betonte dafür, dass 2011 eine interne Untersuchu­ng durchgefüh­rt wurde und man sich im Zuge dessen von sieben Mitarbeite­rn getrennt habe. Aber: Sex gegen Geld oder sonstige Leistungen ist laut Oxfam-Verhaltens­kodex verboten, zudem ist Prostituti­on in Haiti illegal. Man habe aber keine Anzeige erstattet, so Oxfam, weil sie angeblich kaum Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

Ein weiterer Vorwurf gegen Oxfam mit seinen mehr als 5000 Mitarbeite­rn und über 22.000 Freiwillig­en: Man habe den Vorfall zu vertuschen versucht. Die betroffene­n Mitarbeite­r haben danach Jobs bei anderen NGOS bekommen. Diese wurden nicht vorgewarnt, kritisiere­n sie nun. Sehr wohl, so Oxfam, habe man den Vorfall 2011 öffentlich gemacht. Die britische Charity Commission, die für Hilfsorgan­isationen zuständige staatliche Behörde, teilte am Wochenende mit, dass sie da- mals zwar informiert wurde. Doch betonte sie, dass viele Informatio­nen, die nun ans Tageslicht kamen, von Oxfam damals nicht weitergele­itet wurden.

Auch gibt es mittlerwei­le ähnliche Vorwürfe gegen OxfamMitar­beiter im Tschad. Außerdem sind im letzten Jahresberi­cht der Organisati­on 87 Fälle festgehalt­en, in denen Mitarbeite­rn sexueller Missbrauch vorgeworfe­n wird.

Die Angst, die besagter OxfamMitar­beiter hat, galt dann wohl den Ereignisse­n vom Montag. Denn Großbritan­nien ist mit umgerechne­t etwa 36 Millionen Euro einer der größten Spender. Penny Mordaunt, Ministerin für internatio­nale Zusammenar­beit, erklärte am Wochenende, die Zuwendunge­n zu streichen, wenn NGOs Schutzmaßn­ahmen gegen solche Vorfälle nicht umsetzen.

Am Montag fand deshalb ein Treffen von Vertretern der Regierung, von Oxfam und der Charity Commission statt, um die weiteren Schritte zu besprechen. Denn derlei Zuwendunge­n sind ohnehin ein Zankapfel auf der Insel. Großbritan­nien gehört zu den nur sechs Ländern weltweit, die die Vorgabe der Uno erfüllen, 0,7 Prozent des BIP in Entwicklun­gshilfe zu investiere­n. Vor allem konservati­ve Politiker kritisiere­n das immer wieder.

Auch EU prüft Zahlungen

Die EU-Kommission kündigte am Montag ebenfalls an, die Hilfsmitte­l für Oxfam zu prüfen. Man erwarte eine rasche und transparen­te Aufarbeitu­ng, so eine Sprecherin in Brüssel. Die EU hatte die Arbeit der NGO in Haiti 2011 mit 1,7 Millionen Euro unterstütz­t.

Oxfam könnte den drohenden Verlust dieser Zuwendunge­n vermutlich verkraften, laut letztem Jahresberi­cht hat man insgesamt etwa 461 Millionen Euro über Spenden eingenomme­n. Doch befürchten Mitarbeite­r, dass nun auch die privaten Spenden einbrechen könnten. „So etwas führt zu einem doppelten Reputation­sverlust: Die Marke wird beschädigt, und ein Teil des Spendenpub­likums fällt weg“, sagt denn auch Günther Lutschinge­r, Geschäftsf­ührer vom Fundraisin­g Verband Austria, zum STANDARD.

Wichtig für Oxfam sei nun eine schnelle Aufarbeitu­ng, so Lutschinge­r, der auch sechs Jahre lang Präsident der European Fundraisin­g Associatio­n war, denn bei „Spenden gehe es vor allem um Vertrauen“. Als Negativbei­spiel nannte er den Spenden- skandal 2008 bei der deutschen Sektion von Unicef. Dabei wurden Zahlungen überhöhter Honorare und anteiliger Provisione­n an externe Spendenwer­ber bekannt. „Nur peu à peu wurde das aufgearbei­tet, der Schaden war so ein nachhaltig­er“, so Lutschinge­r. Das UN-Kinderhilf­swerk hatte in der Folge einen Spendenein­bruch in Millionenh­öhe zu verkraften.

In einem ersten Schritt der Aufarbeitu­ng trat am Montag die britische Oxfam-Vizechefin Penny Lawrence zurück. Sie übernehme die Verantwort­ung dafür, dass auf die Vorfälle nicht „adäquat“reagiert wurde, hieß es. Das Problem betrifft aber nicht nur Oxfam: Die Charity Commission gab am Montag bekannt, dass sie jährlich etwa 1000 Meldungen erhält, in denen Hilfsorgan­isationen in derlei Zwischenfä­lle involviert sind.

 ??  ?? Ein Oxfam-Geschäft in London, in dem unter anderem gebrauchte Kleidung, Bücher, Spielzeug oder Haushaltsw­aren verkauft werden. Die Erlöse werden zur Finanzieru­ng der Hilfsorgan­isation verwendet. Diesbezügl­ich könnte es bald zu gröberen Problemen kommen.
Ein Oxfam-Geschäft in London, in dem unter anderem gebrauchte Kleidung, Bücher, Spielzeug oder Haushaltsw­aren verkauft werden. Die Erlöse werden zur Finanzieru­ng der Hilfsorgan­isation verwendet. Diesbezügl­ich könnte es bald zu gröberen Problemen kommen.

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