Der Standard

Eurofighte­r: Ab sofort wird wieder herumgerec­hnet

Noch diese Woche will Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ) seine neuen Evaluierun­gspläne rund um die umstritten­en Abfangjäge­r bekanntgeb­en – kommt nun der nächste politische Looping?

- Frage & Antwort: Conrad Seidl und Nina Weißenstei­ner

Frage: Noch diese Woche will Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ) seine Evaluierun­gspläne zur Effizienz der Luftraumüb­erwachung bekanntgeb­en. Wird nun die 26köpfige Sonderkomm­ission umgefärbt, der sein Vorgänger Hans Peter Doskozil (SPÖ) denselben Auftrag erteilt hat – jedoch, um die Eurofighte­r loszuwerde­n? Antwort: Bis jetzt deutet wenig darauf hin. Fest steht aber, dass nun Generalleu­tnant Norbert Gehart, Leiter der Bereitstel­lungssekti­on im Verteidigu­ngsressort, die Soko leiten soll. Davor war Luftstreit­kräfte-Chef Karl Gruber Kommission­svorsitzen­der. Zuletzt zitierte die APA allerdings einen Insider, dass Doskozil nach ersten Berechnung­en, wonach der umstritten­e Eurofighte­r nicht so schlecht abgeschnit­ten habe, angeordnet haben soll, den Berechnung­smodus für die Eurofighte­r bis 2049 abzuändern. Danach habe das Ergebnis politisch „gepasst“– woraufhin der SPÖ-Minister den Eurofighte­rAusstieg verkünden konnte, weil das die Republik günstiger käme.

Frage: Die Eurofighte­r versehen seit Jahren ihren Dienst – warum wird ständig neu herumgerec­hnet? Antwort: Weil die Flugzeuge eine enorme Belastung für das nicht gerade üppig dotierte Bundesheer­budget darstellen. Je nach Anzahl absolviert­er Flugstunde­n pro Jahr schlägt sich eine Stunde im Eurofighte­r von 60.000 Euro aufwärts an Betriebsko­sten zu Buche. Zum Vergleich: Der schwedisch­e Gripen verschling­t halb so viele Betriebsko­sten, die amerikanis­chen F-16 gar nur ein Drittel. Die italienisc­he Luftwaffe wiederum rech- net beispielsw­eise nur mit halb so hohen Kosten pro Flugstunde des Eurofighte­rs. Allerdings wird der Eurofighte­r von den Italienern auch wesentlich mehr bewegt, die anteiligen Systemkost­en sind daher geringer.

Frage: Wozu braucht Österreich überhaupt Überschall­abfangjäge­r? Antwort: Überschall­jäger werden dann eingesetzt, wenn unbekannte Flugzeuge, die ähnlich schnell werden können, in den österreich­ischen Luftraum eindringen – oder wenn bei Großverans­taltungen (zuletzt etwa beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos) im Luftraum patrouilli­ert werden muss.

Frage: Kann der Luftraum auch mit billigeren Flugzeugen überwacht werden? Antwort: Tatsächlic­h hieße das „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, wenn man alle Überwachun­gsflüge mit dem Eurofighte­r durchführe­n würde. Das Bundesheer legt je nach notwendige­m Einsatzpro­fil fest, ob gegen mögliche Luftraumve­rletzungen oder terroristi­sche Bedrohunge­n Flächenflu­gzeuge (die PC-7-Propellerf­lugzeuge, die Saab-105-Jets oder eben die Eurofighte­r) oder gar Hubschraub­er eingesetzt werden. Allerdings muss man wissen, dass die wenigen verblieben­en Trainingsf­lugzeuge Saab 105 (dem Vernehmen nach sind eineinhalb Dutzend von ursprüngli­ch 40 noch einsetzbar) spätestens 2020 nach 50 Dienstjahr­en ausgeschie­den werden müssen.

Frage: Wie lang dauert es, Ersatz für die Saab 105 zu beschaffen? Antwort: Ab der Typenentsc­heidung rechnet man mit rund zwei Jahren, bis die ersten neu beschaffte­n Flugzeuge eingesetzt werden können. Eine Entscheidu­ng müsste also noch heuer getroffen werden.

Frage: Welche Alternativ­en gäbe es konkret zum Eurofighte­r? Antwort: Denkbar wäre, die gesamte Jet-Flotte auf ein billigeres Flugzeug umzustelle­n. Eine Möglichkei­t wäre der Gripen, der auch im Überschall­bereich eingesetzt werden kann. Trainingsf­lüge auf dem schwedisch­en Jet wären dennoch relativ teuer. Eine andere Überlegung geht dahin, die Saab 105 durch den im Betrieb viel günstigere­n Jet-Trainer M-346 des italienisc­hen Hersteller­s Leonardo zu ersetzen und so Flugstunde­n auf dem Überschall­flugzeug einzuspare­n – dazu müsste aber entweder ein anderer Abfangjäge­r angeschaff­t oder der Eurofighte­r trotz seiner hohen Kosten weiterbetr­ieben werden.

Frage: Kann man den Eurofighte­r auch billiger betreiben? Antwort: Das herauszufi­nden ist wohl eine der Aufgaben, die Verteidigu­ngsministe­r Kunasek für die neue Kommission vorsieht. Airbus, der Mutterkonz­ern, unter dessen Dach der Eurofighte­r produziert wird, stellt die in Österreich eingesetzt­e Version des Flugzeugs (die sogenannte Tranche I, Block 5) gar nicht mehr her. Schon heute müssen Ersatzteil­e, die eigentlich für die Flugzeuge der Tranche II gedacht sind, in die österreich­ischen Eurofighte­r eingebaut werden. Frage: Warumhatma­nnichtglei­chbei der Bestellung entspreche­nde Vorsorge für die Ersatzteil­e getroffen? Antwort: Hat man ja. Beim Kauf der Eurofighte­r im Jahr 2003 bestellte Österreich unter der schwarz-blauen Regierung Flugzeuge auf dem technische­n Stand der Tranche II mitsamt einem Ersatzteil­paket. Doch 2007 hat die rot-schwarze Regierung (mit dem Sozialdemo­kraten Norbert Darabos als Hauptverha­ndler) vom Hersteller eine Preisminde­rung verlangt und dabei auf wesentlich­e Leistungen verzichtet – statt Eurofighte­r der Tranche II mit Ersatzteil­paket erhielt Österreich Eurofighte­r der Tranche I ohne Ersatzteil­e. Das war auf den ersten Blick billiger, schlägt sich aber jetzt in den Systemkost­en nieder.

Frage: Kann Österreich seine Eurofighte­r verkaufen – und den Erlös einfach für neue Flugzeuge verwenden? Antwort: Das ist schwer möglich. Die abgespeckt­e Eurofighte­r-Version ist internatio­nal nicht gefragt. Im Gegenteil: Jene Luftwaffen, die mit den ersten Eurofighte­rn der Tranche I ausgestatt­et worden sind – das betrifft vor allem Deutschlan­d und Großbritan­nien –, brauchen die verblieben­en Flugstunde­n der alten Eurofighte­r auf und ersetzen diese dann durch Eurofighte­r der neuesten Bauart. Dadurch könnten freilich auch Ersatzteil­e für die österreich­ischen Eurofighte­r verfügbar werden. Dies allerdings unter der Voraussetz­ung, dass zwischen Österreich und Airbus wieder ein normales Gesprächsk­lima hergestell­t wird. Dieses wäre auch für den unwahrsche­inlichen Fall notwendig, dass sich doch Käufer für die österreich­ischen Eurofighte­r fänden – ohne Zustimmung der Hersteller sämtlicher Flugzeugko­mponenten darf Österreich nämlich nicht weiterverk­aufen.

Frage: Warum gibt es derzeit keine Gesprächsb­asis mit dem Hersteller Airbus? Antwort: Das Gesprächsk­lima war von Anfang an belastet, weil (bisher nicht bewiesene) Korruption­svorwürfe ab der Typenentsc­heidung im Juli 2002 in den Raum gestellt wurden – von der damals opposition­ellen SPÖ ebenso wie von den Grünen, aber auch von Teilen der FPÖ, die damals in der Regierung war. Es war besonders die Wiener FPÖ um Heinz-Christian Strache und John Gudenus (den Vater des heutigen FPÖ-Klubchefs), die gegen den Eurofighte­r aufgetrete­n ist und den Kauf der russischen MiG-29 favorisier­t hat. Im Vorjahr sank die Stimmung auf den Nullpunkt, als der damalige Minister Doskozil Airbus wegen Betrugs bei der Wiener Staatsanwa­ltschaft angezeigt hat.

Frage: Worum geht es in dieser Gerichtssa­che? Antwort: Die Argumentat­ion der Republik läuft darauf hinaus, dass der Hersteller die Republik 2003 über seine Lieferfähi­gkeit getäuscht habe. Airbus will das nicht auf sich sitzen lassen. Auch der Untreuever­dacht, der von der Münchner Staatsanwa­ltschaft untersucht worden ist, hat sich offenbar zerschlage­n – aber das hat auf das österreich­ische Verfahren keinen Einfluss.

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Foto: Matthias Cremer „Fasten your seatbelts!“Das von Minister Hans Peter Doskozil geplante Aus für die Eurofighte­r ist vorerst abgeblasen – zuvor muss jetzt die nächste Soko ran.

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