Affäre um eine „Massöse“
38-Jährige soll Nachbarin schwer verletzt haben
Wien – „Die Situation ist eine tickende Zeitbombe“, skizziert Privatbeteiligtenvertreter Werner Tomanek die Lage in dem Gemeindebau in Rudolfsheim-Fünfhaus, in dem Ayse I. und Meral T. leben. Seit Februar 2017 liegen die Frauen und ihre Familien im Clinch, nun muss sich Ayse I. wegen schwerer Körperverletzung vor Richter Christian Gneist verantworten. Die 38-Jährige soll ihrer 39 Jahre alten Kontrahentin in der Waschküche eine Platzwunde am Kopf und eine Prellung im Gesicht zugefügt haben.
Der Fall klingt einfach – T. wurde von der Polizei blutüberströmt vor ihrer Wohnung gefunden und beschuldigte sogleich I., die nun angeklagte Frau. Es zeigt sich allerdings rasch, dass mehr hinter der Geschichte stecken könnte – auch da Richter Gneist einen Trick anwendet.
Beide Seiten sind juristisch ungewöhnlich gut ausgestattet. T. wird neben Tomanek auch von Eva Velibeyoglu vertreten, I. hat mit Banu Kurtalan und Philipp Winkler ebenso zwei Rechtsvertreter. Warum die Familien so verfeindet sind, bleibt in diesem Prozess aber offen. Verteidigerin Kurtalan berichtet aber, dass die Angeklagte bereits Pistolenkugeln vor ihrer Wohnungstür – sie wohnt auf Stiege 2 – gefunden habe und dort im Stiegenhaus ein Plakat aufgehängt wurde. Zu sehen: das Porträt ihrer kopftuchtragenden Mandantin, darüber handschriftlich die Adresse und das Wort „Massöse“.
„Sie wollte meine Ehre verletzen“, sagt die Angeklagte dazu. „Und woher wissen Sie, dass Frau T. das Plakat aufgehängt hat?“, fragt der Richter. „Ihr Cousin hat es meinem Bruder gesagt“, lautet die Antwort.
Verteidiger Winkler legt noch einen Einzelgesprächsnachweis vor, der zeigen soll, dass I. zur angeblichen Tatzeit, kurz vor 13 Uhr, mit ihrem Mann telefoniert habe. „Woher kennen Sie denn die Angeklagte?“, fragt Gneist die Zeugin Frau T., die 5000 Euro Schmerzensgeld will. „Aus dem Gemeindebau.“– „Können Sie die Adresse auf einen Zettel schreiben?“, bittet der Richter. Die Zeugin erfüllt den Wunsch. „Ah ja, und können Sie auch gleich noch Masseuse schreiben?“– T. zögert kurz, schreibt schließlich doch und gibt Gneist den Zettel.
Der ihr postwendend das Plakat aus dem Stiegenhaus zeigt. „Kennen Sie das?“– „Ja. Das habe ich hängen gesehen.“– „Haben Sie es aufgehängt?“– „Nein.“– „Also, ich bin kein Sachverständiger, aber für mich schaut die Adresse gleich aus. Und Sie haben auch ,Massöse‘ geschrieben – vielleicht darf man das ja jetzt mit der neuen Rechtschreibung, aber ich kenne es nur mit ,eu‘. Aber wir können gerne ein Gutachten einholen, um festzustellen, ob Sie gelogen haben“, erinnert Gneist die Zeugin an ihre Wahrheitspflicht.
Kurz darauf bricht der Richter wegen der fortgeschrittenen Zeit ab und vertagt. Er hat umfangreiche Aufträge an die Polizei. Zusätzlich wird er ein grafologisches Gutachten in Auftrag geben und eine medizinische Expertise einholen, wie T.s Verletzungen entstanden sind.