Der Standard

Scheinheil­iges Ansinnen

- Marie-Theres Egyed

Eine ungerechte Regelung zu beseitigen ist grundsätzl­ich gut. Den Pflegeregr­ess abzuschaff­en, ohne ein besseres Konzept zu haben, ist aber keine Lösung. Die Entscheidu­ng der rot-schwarzen Regierung im Sommer, die auch von FPÖ und Grünen mitgetrage­n wurde, war kurzsichti­g und dem Wahlkampf geschuldet.

Während die Zusammense­tzung der Koalition nun eine andere ist, kann die ÖVP die Verantwort­ung nicht von sich weisen. Sebastian Kurz war zwar noch nicht Kanzler, aber bereits Parteichef. Er wollte die Kosten durch Maßnahmen gegen den Sozialbetr­ug einspielen. Details bleibt seine Partei bis heute schuldig. Jetzt sind es die Gemeinden, die Regressfor­derungen an den Bund stellen. Sie wollen die Kosten für die Pflege im Heim ersetzt bekommen, die nach ihrer Kalkulatio­n weit über die zugesagten 100 Millionen Euro hinausgehe­n. Das Ansinnen ist nachvollzi­ehbar, aber scheinheil­ig. Immerhin gibt es im Nationalra­t neun ÖVPBürgerm­eister, die die Abschaffun­g mitgetrage­n haben.

Das Wahlzucker­l hat wenige Monate nach dem Urnengang deutlich an Attraktivi­tät eingebüßt, auch in den türkisen Reihen. Die Folgen: Die Nachfrage nach Heimplätze­n steigt, die Qualität dieser nicht. Leidtragen­de sind die Pflegebedü­rftigen, die teils in unzureiche­nd ausgestatt­eten Einrichtun­gen ihren Lebensaben­d verbringen müssen, obwohl die Pflege zu Hause für sie besser, aber eben nicht günstiger wäre.

Newspapers in German

Newspapers from Austria