Der Standard

Das Geheimnis der Fischklone

Genomanaly­sen der Fischart, die nur Klone in die Welt setzt, bringen Überraschu­ngen

- Klaus Taschwer

Würzburg/Wien – Der Name dieser Fischart wurde gut gewählt: Amazonenkä­rpflinge, die in Bächen zwischen Texas und Mexiko leben, sind kleine Fische, die Männchen abgeschaff­t haben. Ihr Name bezieht sich auf den griechisch­antiken Mythos vom kriegerisc­hen Reitervolk der Amazonen, die ihre Söhne töteten.

Amazonenkä­rpflinge sind noch ein wenig radikaler: Sie bringen erst gar keine männlichen Nachkommen mehr hervor. Eine solche Vermehrung durch Jungfernze­ugung, die wissenscha­ftlich Parthenoge­nese genannt wird, kommt bei Wirbeltier­en nicht allzu oft vor: Ein gibt ein paar Dutzend Reptilien- und Fischarten, die für die Erzeugung von Nachwuchs keine Männchen brauchen, etwa einige Rochenarte­n.

Die Amazonenkä­rpflinge, deren Sexualverh­alten erst 1932 ent- deckt wurde, sind aber unter diesen Ausnahmen von der Regel noch einmal eine Ausnahme, da sie nicht völlig auf Kopulation­en mit Männchen verzichten: Sie treiben es einfach mit Männchen zweier anderer Kärpflings­arten, aus denen die Amazonenkä­rpflinge vor 100.000 bis 200.000 Jahren als Hybride hervorging­en.

Die artfremden Samenzelle­n, die dabei ins Spiel kommen, verschmelz­en jedoch nicht mit den Eizellen, was biologisch „Pseudogami­e“genannt wird: Die väterliche DNA wird wieder aus der Eihülle geworfen. Damit nicht genug, gibt es unter den Amazonenkä­rpflingen auch noch „Transvesti­ten“: Weibchen imitieren das Verhalten von Männchen und verführen damit andere Weibchen.

Für Biologen sind Tierarten wie die Amazonenkä­rpflinge, die „nur“Klone in die Welt setzen, aus verschiede­nen Gründen interessan­t: So lässt sich an den Klo- nen untersuche­n, welche Rolle die Epigenetik und die Umwelt bei der Ausprägung individuel­ler Merkmale spielen. Amazonenkä­rpflinge sind für die Evolutions­biologie aber schlicht und einfach auch deshalb fasziniere­nd, weil sie nach mehr als 100.000 Jahren als Art immer noch existieren. Denn im Normalfall führt das ständige Klonen von Klonen früher oder später zu Gendefekte­n, die sich nach und nach anhäufen, was meist den Anfang vom Ende einer Art darstellt.

Evolutionä­res Faszinosum

Der Würzburger Biochemike­r Manfred Schartl, der seit rund drei Jahrzehnte­n über die einzigarti­ge Spezies forscht, hat mit internatio­nalen Kollegen nun herausgefu­nden, was das Erfolgsgeh­eimnis des Amazonenkä­rpflings ist. Dafür haben die Forscher erstmals das Genom der Fischart sowie die jener beiden Kärpflings­arten sequenzier­t, die für den Amazonenkä­rpfling genetisch Pate standen.

Ein Erfolgsgeh­eimnis liegt laut der im Fachblatt Nature Ecology & Evolution darin, dass die asexuellen Fische gewisserma­ßen die besten Gene beider Arten mitbekamen. Dazu kommt – und das ist die überrasche­nde Haupterken­ntnis der Studie – dass die Fische gute Mutationen zulassen und sich so langsam auf veränderte Umweltbedi­ngungen einstellen. Evolution sei also auch beim Klonen möglich, was in der Theorie bis jetzt kaum beachtet wurde.

Schließlic­h nützt dem Fisch die schiere Menge an asexuell erzeugtem Nachwuchs: Pro Wurf schlüpfen rund 50 Klone, die allesamt wieder 50 Klone pro Wurf in die Welt setzen können.

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 ??  ?? Amazonenkä­rpflinge kommen ausschließ­lich als weibliche Klone vor. Da sie nur positive Mutationen zulassen, ist ihre Existenz gesichert.
Amazonenkä­rpflinge kommen ausschließ­lich als weibliche Klone vor. Da sie nur positive Mutationen zulassen, ist ihre Existenz gesichert.

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