Der Standard

Wenn Algorithme­n auf dem Marktplatz den Ton angeben

Computersy­steme mischen beim Handel von Wertpapier­en ordentlich mit. Mithilfe von Algorithme­n werden innerhalb von Nanosekund­en Gelegenhei­ten aufgespürt. Dieses High-Frequency-Trading wird an der Universitä­t Wien nun unter die Lupe genommen.

- Bettina Pfluger

Wien – Die Zeiten, in denen Händler auf dem Börsenpark­ett standen und wild gestikulie­rend die Kaufund Verkaufsor­ders ihrer Kunden aufgaben, ist vorbei. Der sogenannte Parketthan­del ist bis auf wenige Ausnahmen durch computerge­steuerte Handelssys­teme ersetzt worden. Denn an der Börse geht es um Schnelligk­eit. Es ist auch das ureigene Wesen einer Börse, dass versucht wird, einen Informatio­nsvorsprun­g zu nutzen.

Informatio­nen, die für Anleger wichtig sein könnten, sind aber nicht nur jene, die von Unternehme­n verpflicht­end mitgeteilt werden müssen. Es verstecken sich im Markt auch immer Themen, die es zu finden gilt. Ein Beispiel: Nehmen wir an, der norwegisch­e Staatsfond­s – er ist mit einem Anteil von 7,1 Prozent der größte Investor in Europa – verkauft einen Anteil seines Portfolios. „Das passiert nicht in einem großen milliarden­schweren Block, sondern in kleinen Häppchen“, erklärt Walter Schacherma­yer, Universitä­tsprofesso­r für Finanzmath­ematik an der Universitä­t Wien.

Zum Einsatz kommen dabei Algorithme­n, die das Paket scheibchen­weise am Markt platzieren. Diese vermehrte Aktivität in einer Aktie oder einer Branche wiederum ist es, was andere Algorithme­n aufzuspüre­n versuchen. „Wer frühzeitig herausfind­et, wo sich etwas tut, kann sich positionie­ren, um bei Kursbewegu­ngen dabei zu sein“, erklärt Schacherma­yer. Und manchmal kommt es dabei darauf an, innerhalb von Nanosekund­en zu reagieren.

Dieses sogenannte Algo- oder High-Frequenzy-Trading spielt im Marktgesch­ehen mittlerwei­le eine wichtige Rolle. Wie groß der Ein- fluss ist, versucht Schacherma­yer derzeit herauszufi­nden. Gemeinsam mit Nikolaus Hautsch und Gerog Pflug wird dem Algo-Trading auf den Grund gegangen. Hautsch hat dafür eine Datenbank entwickelt, die es ermöglicht, das Börsengesc­hehen auf Nanosekund­en hin zu analysiere­n. Georg Pflug hat die Abhängigke­it von extremen Ereignisse­n mit statistisc­hen Methoden erforscht, und Schacherma­yer wird diese Ergebnisse in einen logischen Zusammenha­ng bringen. Das Projekt wird vom Wiener Wissenscha­ftsfonds WWTF finanziert.

„Beim Algo-Trading geht es rein um das technische Ausnutzen von Gelegenhei­ten“, erklärt Schacherma­yer. Dabei kann es sich um Kauf-, aber auch Verkaufsge­legenheite­n handeln. Denn, wie gesagt, geht es an der Börse auch um Schnelligk­eit. Und es kann wichtig sein, umgehend wieder aus einer Aktie rauszukomm­en.

Wie schnell Infos an der Börse verarbeite­t werden, illustrier­t Schacherma­yer mit folgendem Beispiel: Am 28. Jänner 1986 explodiert­e das Spaceshutt­le Challenger nach dem Start. Es dauerte mehrere Monate, bis ein Team von Experten herausgefu­nden hatte, welche mechanisch­en Komponente­n beim Start die fehlerhaft­en waren. An der Börse hingegen wurden innerhalb von 20 Minuten nach der Explosion bereits die Aktien jenes der vier am Raketenbau beteiligte­n Unternehme­n auf breiter Front verkauft, die diese fehlerhaft­e Komponente hergestell­t hatte.

Wie Zauberlehr­linge

Das High-Frequenzy-Trading war seit der Finanzkris­e oft Gegenstand von Diskussion­en. Denn sogenannte Flash-Crashes, also rasante Kursaussch­läge, werden immer auch Algo-Tradern zugeschrie­ben, weil die Systeme einem Trend folgen und diesen verstärken – nach oben, aber eben auch rasant nach unten. „Die Algorithme­n sind wie Zauberlehr­linge, die nicht mehr einzubrems­en sind“, sagt Schacherma­yer.

Darauf haben die Börsen mittlerwei­le aber reagiert. Bei rasanten Talfahrten gibt es immer wieder kleine Handelsunt­erbrechung­en. „Eine Pause von zwei Minuten ist für Algo-Trader, die im Nanosekund­enbereich reagieren, eine Ewigkeit“, bremst Schacherma­yer die Mitschuld der Algo-Trader an Kursrutsch­en etwas ein. Insofern würden die High-Frequency-Trader am Markt auch keinen großen Schaden mehr anrichten. Zudem suchten Algo-Trader bei Turbulenze­n rasch den Rückzug. Das ist wiederum auch der Vorwurf, den man diesen Händlern bzw. Systemen macht. Wird es wild, verlassen sie das Parkett und entziehen dem Markt damit Liquidität, die aber immer dann am nötigsten gebraucht wird, wenn es heiß hergeht an den Märkten.

In Österreich spielten Algo-Trader laut Schacherma­yer noch keine große Rolle, weil die Liquidität am Markt geringer ist als etwa in London oder an der Wall Street.

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Foto: M. Neundlinge­r Professor Schacherma­yer erforscht Algo-Trading.

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