Warum man Tiere aus dem All beobachtet
Am Dienstag startete eine für Biologen spannende Mission: Die Antenne Icarus wurde zur Raumstation ISS gebracht. Mit Icarus sollen Tiermigrationen weltweit observiert werden. Das wird auch die Frage klären, ob Tiere Katastrophen vorhersagen können.
München/Wien – Die Sojus-Progress-Rakete, die am Dienstag um 9.13 Uhr mitteleuropäischer Zeit vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abgehoben hat, hatte eine für die Biologie besonders wertvolle Fracht an Bord: eine knapp 200 Kilogramm schwere Antenne namens Icarus, die zur ISS gebracht wurde.
Mit Icarus können Forscher erstmals Tausende von Tieren auf ihren Reisen rund um den Globus beobachten – und das über Monate und Jahre hinweg, rund um die Uhr. 150 Forschungsprojekte warten schon darauf, von den neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Die Fragen, die damit beantwortet werden sollen, sind tatsächlich extrem wichtig und spannend, wie Martin Wikelski erläutert, Leiter der Icarus-Mission und Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell.
Für den deutschen Ornithologen steht auf der Prioritätenliste eine Frage ganz oben: „Die Zahl der Zugvögel nimmt weltweit gerade so dramatisch ab, und wir wissen oft weder, wohin sie verschwinden, noch warum. Wenn wir hier nicht schnell Antworten bekommen, damit wir Gegenmaßnahmen ergreifen können, wird es für viele Arten zu spät sein.“Ähn- liches gelte für die massiv ausgebeuteten Fischbestände sowie viele Meeressäuger in den Ozeanen.
Ein weiterer Fragenkomplex, der mithilfe von Icarus auf neue Weise erforscht werden soll, betrifft die Verbreitung von Krankheitserregern durch Tiere: Die Forscher wollen aus dem All die Flugrouten unter anderem von Wasservögeln in Asien und Flughunden in Afrika verfolgen. Das soll Aufschluss darüber geben, wie sich die Vogelgrippe über den Globus verbreitet oder welche Tiere das Ebola-Virus in sich tragen.
Wikelski kommt aber auch noch auf eine weitere spannende Frage zu sprechen und macht zugleich eine Versprechung: „Wir werden in zehn Jahren wissen, welche Tierarten Naturkatastrophen vorhersagen können. Erste wissenschaftliche Daten von Erdbeben und Vulkanausbrüchen legen nahe, dass verschiedene Tiere solche Ereignisse Stunden vorher spüren. Wenn wir diese Fähigkeiten hieb- und stichfest belegen können, würde dies in Zukunft hunderttausenden Menschen das Leben retten.“
Möglich werden diese detaillierten Tierbeobachtungen aus dem All durch die leistungsstarken Empfangsantennen, die weltweit die Daten von 15 Millionen und mehr Sendern an jedem Ort auf der Erde empfangen. Dafür wurden eigens Geräte entwickelt, die mit einer neuen Technologie ausgestattet sind und die gerade einmal fünf Gramm leicht sind. Damit können selbst kleine Tiere wie Zugvögel ausgestattet werden.
Die ersten Tiere, die mit der neuen Icarus-Technologie ausgestattet werden, sind übrigens Amseln. „Ab Juni werden wir an 35 Orten in Deutschland rund 300 Amseln mit unseren Minisendern ausstatten. So wollen wir herausfinden, wo sie leben, wohin sie fliegen, wo sie sterben.“