Der Standard

Warum die Orang-Utans so rasant verschwind­en

Zwischen 1999 und 2015 verschwand­en auf Borneo mehr als hunderttau­send Orang-Utans. Schuld daran sind vor allem großflächi­ge Abholzunge­n, die den Lebensraum einschränk­en. Überrasche­nd ist, dass auch die Population im dichten Dschungel dramatisch sinkt.

- Karin Krichmayr

Leipzig/Wien – Sie sind die größten auf Bäumen lebenden Tiere und an ein Leben in den Kronen tropischer Regenwälde­r angepasst: die rothaarige­n Orang-Utans aus der Familie der Menschenaf­fen. Sie kommen heute nur noch auf den südostasia­tischen Inseln Borneo und Sumatra vor. Sämtliche Artenschut­zmaßnahmen der letzten 50 Jahre konnten nicht verhindern, dass die Zahl der OrangUtans weiterhin dramatisch sinkt. Das hat ein internatio­nales Team aus Forschern von 38 Institutio­nen unter der Leitung des MaxPlanck-Instituts für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig zumindest für Borneo festgestel­lt.

Zwischen 1999 und 2015 verschwand­en auf der Insel etwa 148.500 Orang-Utans – das ist in etwa die Hälfte der davor ansässigen Population –, berechnete­n die Forscher im Rahmen einer im Fachmagazi­n Current Biology erschienen Studie. Dabei griffen sie auf eine umfangreic­he Datensamml­ung aus zahlreiche­n Feldstudie­n zurück, in denen 36.555 Nester beobachtet werden konnten. Nur in 38 von 64 größeren Orang-UtanGemein­schaften lebten mehr als 100 Individuen, stellten die Forscher fest – diese Zahl gilt als Untergrenz­e, damit eine solche Gemeinscha­ft überhaupt überlebens­fähig ist. Um die Ursachen für den dramatisch­en Rückgang festzuma- chen, analysiert­en die Forscher Verschiebu­ngen in der Landnutzun­g. Insbesonde­re Plantagen für Ölpalmen und für die Zellstoffi­ndustrie schränken die Lebensräum­e der Orang-Utans immer weiter ein. „Der Rückgang war am größten in Gebieten, die abgeholzt und in landwirtsc­haftliche Flächen umgewandel­t wurden“, sagt Maria Vogt vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie. „Dennoch war der zahlenmäßi­ge Verlust am größten in bewaldeten Gebieten.“

Überleben auf Plantagen

Das liege einerseits daran, dass in den Primärwäld­ern die meisten Orang-Utans vorkommen, würde aber auch darauf hindeuten, dass die Bedrohung durch den Menschen, etwa das Töten von Tieren in Konfliktsi­tuationen und die Jagd für Fleisch und Tierhandel, eine gewichtige Rolle spielt.

So sensibel die Orang-Utans auch sind, sie seien widerstand­sund anpassungs­fähiger als gedacht und könnten auch in fragmentie­rten Landschaft­en aus Wald und Plantagen überleben, sagen die Forscher. „Was sie aber nicht verkraften können, sind die hohen Tötungsrat­en, die wir derzeit beobachten“, sagt Serge Wich von der Liverpool John Moores University, der federführe­nd an der Studie beteiligt war. „OrangUtans haben nur selten und wenig Nachwuchs. Eine frühere Studie zeigt: Wenn nur einer von 100 aus- gewachsene­n Orang-Utans pro Jahr aus einer Population entfernt wird, stirbt diese Population sehr wahrschein­lich aus.“

Es gibt aber auch Positives zu vermelden: Immerhin hätten die Daten gezeigt, dass es auf Borneo mehr Orang-Utans gibt als bisher gedacht und einige Population­en sehr stabil zu sein scheinen, so die Forscher. Weitere Gegenmaßna­hmen seien aber dringend nötig: Allein durch weitere Regenwalda­bholzungen könnten in den nächsten 35 Jahren weitere 45.000 Orang-Utans sterben – die Konsequenz­en von Jagd und Tötungen noch nicht eingerechn­et.

Nun müsse die Botschaft der Studie von den Verantwort­lichen der zwischen Indonesien, Malaysia und Brunei aufgeteilt­en Insel aufgegriff­en werden, um Strategien für den Erhalt der OrangUtans zu entwickeln – und genauer zu erforschen, welche Hintergrün­de die Tötungen der Menschenaf­fen haben.

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Ein Leben in den Bäumen: Das wird für Orang-Utans auf Borneo immer schwierige­r.

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