ORF hat 300-Millionen-Bauproblem
Rechnungshof und neue Bauhürden auf dem Küniglberg
Wien – Das 300-Millionen-Bauprojekt des ORF könnte zum nächsten ernsten Problem für ORF-General Alexander Wrabetz werden: Sanierung und Umbau des ORFZentrums auf dem Küniglberg stehen nach STANDARD- Infos vor neuen, auch budgetären Herausforderungen. Vor dem Sommer dürfte der Rechnungshof seinen Rohbericht über das Projekt vorlegen.
Neos-Chef Matthias Strolz sorgt sich, die FPÖ wolle den ORF „sturmreif schießen“. Journalistenorganisationen und Arbeiterkammer verurteilen FPÖ-Angriffe. (red)
Freitag sitzt ORF-General Alexander Wrabetz mit Führungskräften und Projektleiter über Bauplänen und Berechnungen. Der Lenkungsausschuss tagt, wo zuletzt eine Rettungskampagne für FM4 ihren Ausgang nahm. Weil dort einer scherzte, ob der ORF überhaupt noch Räume für FM4 braucht: In der Regierung gibt es kaum Fans des Senders.
FM4 hat einen Platz im „Plan B“von Alexander Wrabetz für das 300Millionen-Bauprojekt auf dem Küniglberg. Dort, wo Radio Österreich International und das Mittelwellenprogramm entstanden. Beide gibt es längst nicht mehr.
Den „Plan B“will der Finanzausschuss des ORF-Stiftungsrats am Montag hören. Thomas Zach, Fraktionschef der ÖVP-Räte und Vorsitzender des Ausschusses, hat ihn einberufen. Im März soll der Stiftungsrat den Plan beschließen.
Wofür braucht es einen Plan B? Die Stadt Wien verweigert bisher die Flächenwidmung für einen Zubau auf dem Küniglberg – nach Anrainerprotesten und umstrittenen Widmungen wie dem HeumarktHochhaus. Monatelange bis jahrelange Bauverzögerungen treiben die Kosten. Also sucht der ORF Platz, um Ö1 und FM4 aus dem Funkhaus und Ö3 aus Wien-Heiligenstadt auf den Küniglberg zu holen, ohne über bestehende Widmungen hinauszuwachsen.
Wo bisher die – baufällige – „Zentrale Werkstätte“steht, soll ein Ö1-Haus Platz finden. Und wo in den Ausstattungshallen ORFBühnenbilder entstanden, sollen ein Ö3-Komplex und ein multimedialer Newsroom für alle ORFMedien unterkommen.
Da hakt es schon: Zwei Häuser sind gemeinhin teurer als eines. Und: Unter der Halle sind mehrere Geschoße Garagen und Lager. Der Neubau dort braucht zusätzliche Fundamente. Aber: Unter der Halle liegt auch das elektronische Herz des ORF – der zentrale Serverraum des Unternehmens. Damit die Operation Zubau dieses Herz nicht Niederschlägen aussetzt, braucht es nach dem Abriss der Halle eine Absicherung nach oben. Und: Die ORF-Technik wird nervös, wenn sie von Bohrungen um diesen „Allgemeinen Geräteraum“hört. Es gibt schonendere Bauverfahren dafür, doch die kosten. Das Architekturbüro soll da Alarm geschlagen haben – dort verweist man Anfragen an den Bauherren ORF.
Mit den knapp budgetierten 22 Millionen Euro wäre das schwer zu bewerkstelligen. Lösung: Abriss der Halle und Sicherung werden woanders budgetiert im großen 300-Millionen-Rahmen.
Dafür versucht der ORF, bei zwei anderen, ziemlich sanierungsbedürftigen Objekten zu sparen, in denen bisher TV-Newscenter und Magazine untergebracht sind. Dort hat das Bundesdenkmalamt einer weniger kostspieligen Wärmedämmung zugestimmt. Und damit Objekt 3 und 4 nicht einstürzen, bekommen sie eine Betondecke zur Stabilisierung.
Die Kalkulation des Plan B will der ORF erst im März vorlegen. „Wir haben den Auftrag, im vorgegebenen Kostenrahmen zu bleiben, und dahingehend planen wir auch“, sagt ein Sprecher dazu.
Wesentlich aus dem Ruder laufende Gesamtkosten böten der Regierung und ihrer neuen Mehrheit einen Hebel, um Alexander Wrabetz rascher als ORF-Chef abzulösen als mit einem neuen ORFGesetz (wie geplant).
Roher Rechnungshof
Vor dem Sommer könnte der Rohbericht des Rechnungshofs über das 300-Millionen-Bauprojekt ORF vorliegen. Er prüft nun auch Wiens Flächenwidmungsblockade für den ORF.
Die präzisen Fragen der staatlichen Prüfer lassen auf einen rohen Befund schließen. Die Berechnungen des damaligen ORF-Finanzdirektors Richard Grasl sprachen für die Sanierung des Küniglbergs und gegen einen Neubau. Die Sanierung großer Studiobereiche im Wert von 30 Millionen Euro blieb damals etwa unberücksichtigt. Die ÖVP erinnert bei dem Punkt gerne: Alleingeschäftsführer des ORF war damals wie heute Alexander Wrabetz.
Ist diese türkis-blaue Koalition eine demokratische Mitte-rechts-Regierung – oder versucht sie nach dem Vorbild Ungarns und Polens autoritäre Strukturen zu schaffen, in denen weder eine unabhängige Justiz noch selbstbewusste Medien die eigene Macht beschneiden? Die immer schrilleren Angriffe der FPÖ auf den ORF lassen das Letztere befürchten. Parteichef Heinz-Christian Strache ließ in seiner Aschermittwochsrede in Ried keinen Zweifel: Der radikale Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein zentrales Vorhaben der zweiten Regierungspartei.
Nun gehört die Gefügigmachung der Medien, und allem voran des staatlichen Fernsehens, zum Instrumentarium jeder Regierung, für die Demokratie nur ein Mittel zum Zweck ist. Auch früheren österreichischen Bundesregierungen waren Umfärbungsversuche des ORF nie ganz fremd. Die Schüssel-Ära begann ebenfalls mit blauen Angriffen auf den Küniglberg. Dem folgte eine schwarz dominierte Führung unter Generaldirektorin Monika Lindner und Chefredakteur Werner Mück, die als bleierne Zeit in die ORF-Annalen einging. Es hat der FPÖ und der ÖVP letztlich nichts genützt: Der Aufstand gegen Mück und Lindner und Alexander Wrabetz’ Wahl zum ORF-Chef war das politische Vorbeben für Wolfgang Schüssels Wahlniederlage 2006.
Heute ist die Rhetorik der FPÖ noch aggressiver als zu Jörg Haiders Zeiten. Sie nutzt nicht nur jeden Fehler von ORF-Reportern aus – und diese sind im journalistischen Alltag unvermeidlich –, sondern bedient sich auch geschickt der sozialen Medien, die es damals noch nicht gegeben hat. Die starke Internetpräsenz der Partei lässt den Verdacht aufkommen, dass es der FPÖ diesmal weniger um die Kontrolle des ORF als um seine Zerstörung geht. Zuerst werden die „Zwangsgebühren“gekippt, und dann wird ein Ersatz durch eine direkte Budgetfinanzierung blockiert. Wer braucht schon einen Rundfunk, wenn man eine Dreiviertelmillion Facebook-Fans hat? Und wenn der Vizekanzler in einer angeblichen Satire ZiB 2- Moderator Armin Wolf als Lügner brandmarkt, dann ist es wohl sein Ziel, den hartnäckigsten Interviewer des Landes mundtot zu machen.
Dass diese Taktik aufgeht, ist zweifelhaft. Die ÖVP hat wenig Interesse an einem ausgehungerten Rundfunk, dem jede Glaubwürdigkeit fehlt. Wenn die Schweizer Wähler am 4. März in einer Volksabstimmung für die Beibehaltung von Rundfunkgebühren stimmen, dann geht der FPÖ, die ja sonst die direkte Demokratie verherrlicht, ein wichtiges Argument verloren. Und so sehr das Schimpfen auf den ORF zum Stammtischritual gehört, bleibt das nationale Fernsehen mit all seinen Schwächen doch eine der populärsten Institutionen des Landes. Freilich nicht bei der blauen Basis: Dort kommt das Gekeife gegen das links-linke Journalistenpack gut an.
Umso wichtiger wäre es, dass nicht nur die ÖVP-Spitze sich jetzt hinter einen unabhängigen Rundfunk stellt, sondern auch Kräfte in der Zivilgesellschaft dies tun – per Petition, Volksbegehren oder auf andere Weise. Es muss verhindert werden, dass unter dem Deckmantel des zweifellos vorhandenen Reformbedarfs die stärkste mediale Bastion des Landes sturmreif geschossen wird. Wer wissen will, ob die Regierung Kurz liberal oder autoritär ist, sollte auf Folgendes achten: Werden sich Strache und Co in einem Jahr immer noch den Fragen Armin Wolfs im ZiB 2- Interview stellen müssen?