Der Standard

Südafrikas neue Ära mit einem neuen Präsidente­n

Jacob Zuma machte es bis zur letzten Minute spannend, aber dann erklärte er doch seinen Rücktritt vom Amt des Staatsober­hauptes. Seinen Nachfolger Cyril Ramaphosa erwartet eine Herkulesau­fgabe.

- ANALYSE: Johannes Dieterich aus Johannesbu­rg

Cyril Ramaphosa war schon an der Seite von Nelson Mandela, als Südafrika vor einem knappen Vierteljah­rhundert die Apartheid überwand, und galt stets als dessen Nachfolgef­avorit für das höchste Amt im Staat. Doch erst jetzt ging dieser Wunsch in Erfüllung: Seit Donnerstag­nachmittag ist der 65-jährige Ex-Gewerk- schafter, spätere Unternehme­r und nunmehrige Parteichef des Afrikanisc­hen Nationalko­ngresses (ANC) Staats- und Regierungs­chef. Er löst den umstritten­en Jacob Zuma ab, der am späten Mittwochab­end nach monatelang­em Streit wegen Korruption­svorwürfen zurückgetr­eten war.

Das war noch einmal, ein letztes Mal typisch Jacob Zuma. Knapp eine Stunde vor Ablauf des Ultimatums seiner Partei und 15 Stunden vor seiner drohenden Abwahl durch das Parlament fand der südafrikan­ische Präsident am späten Mittwochab­end dann endlich doch noch die Worte: „Ich trete mit sofortiger Wirkung von meinem Amt zurück.“

Zuvor hatte es in seiner streckenwe­ise verwirrend­en Ansprache lange danach geklungen, als ob der 75-Jährige auch diese letzte Möglichkei­t zum freiwillig­en Abgang verstreich­en lassen würde: Immer wieder war darin von seiner Unschuld die Rede – und von seiner Entschloss­enheit, sich nur durch ein parlamenta­risches Verfahren von der Macht trennen zu lassen. Bis zum Schluss schien Zuma davon überzeugt zu sein, dass er nichts getan habe, was seinen Rausschmis­s rechtferti­gen könne – Beobachter schreiben das seiner weithin bekannten Kaltschnäu­zigkeit zu.

Jacob Zuma war nach Ansicht vieler zweifellos der verheerend­ste Staats- und Regierungs­chef in der fast 24-jährigen demokratis­chen Geschichte des Landes; für viele ist er dafür verantwort­lich, dass Südafrika zur Staatsruin­e zu werden droht. Er ließ raffgierig­e Ganoven unter der Patenschaf­t der Gupta-Familie agieren, Staatskonz­erne wurden ausgebeute­t und Strohmänne­r in entscheide­nde Ämter gehievt.

Zauderer, aber mit Ziel

Seit Zumas Austausch eines fähigen, aber ihm gegenüber zu kritischen Finanzmini­sters durch einen genehmen Gefolgsman­n dauerte es noch mehr als zwei Jahre, bis Zuma das Handwerk gelegt wurde. Das ist vor allem Cyril Ramaphosa zu verdanken. Mit langem Atem und enormem taktischen Geschick bereitete der einstige Führer der Verhandlun­gen zwischen der letzten weißen Minderheit­sregierung und dem Afrikanisc­hen Nationalko­ngress (ANC) die Demontage Zumas vor.

Dass er dabei langsam, dafür aber, wie man jetzt sieht, gründlich vorging, trug ihm außerhalb der Regierungs­partei oft den Vorwurf eines rückgratlo­sen Feiglings ein. Doch der Erfolg gibt dem 65-Jährigen, den sich schon Nelson Mandela als Nachfolger gewünscht hatte, recht: Wäre Ramaphosa seinem Gegenspiel­er aufgeregt ins Messer gelaufen, wäre er schon längst wieder Geschichte. So aber wurde Ramaphosa am Donnerstag, nur knapp 15 Stunden nach der Demission Zumas, zum neuen Präsidente­n gewählt – und zwar ohne formelle Abstimmung, da es im Parlament keinen Gegenkandi­daten gab.

Der Rücktritt Zumas ist das wohl bedeutends­te Ereignis am Kap der Guten Hoffnung seit dem Sieg über die Apartheid vor einem knappen Vierteljah­rhundert. Der Niedergang des südafrikan­ischen Verfassung­sstaats scheint nun zumindest aufgehalte­n: Jetzt kommt es darauf an, wie gründlich der südafrikan­ische Herkules den Augiasstal­l ausmisten kann. Ramaphosa hat die Wahl zum ANCChef im vergangene­n Dezember nur sehr knapp – mit weniger als einem Prozent Vorsprung – gewonnen.

Die ehemalige Befreiungs­bewegung Mandelas ist noch immer von Gangstern, Profiteure­n und Mitläufern durchsetzt. Letztere werden ihr Fähnchen in den neuen Wind hängen; Erstere, so ist zu hoffen, werden hinter Gittern landen. Doch die verfilzte Herrschaft der prinzipien­losen Profiteure wird ohne entscheide­nde Eingriffe weitergehe­n: Längst scheinen sich Zynismus und Korruption in allen Poren der südafrikan­ischen Gesellscha­ft eingeniste­t zu haben. Ramaphosas größte Herausford­erung fängt deshalb mit dem Tag seiner Wahl erst richtig an: Wenn er dem 104 Jahre alten ANC und dem Land keine neue moralische und politische Ausrichtun­g geben kann, wird sein langer Weg wohl umsonst gewesen sein.

Starke Zivilgesel­lschaft

Dass der pragmatisc­he Manager, Jurist und Christ überhaupt so weit kam, lässt viele Landsleute allerdings hoffen. Südafrikas Institutio­nen haben sich als erstaunlic­h widerstand­sfähig erwiesen: Zumas Versuch, die Verfassung auszuhebel­n, schlug fehl. Standfeste Richter stoppten immer wieder dessen Anläufe. Und kritische Journalist­en und NGOs hielten den Druck aufrecht. Wenn sich Südafrika heute von Kenia, Nigeria oder Simbabwe unterschei­det, dann ist das wohl vor allem der im Kampf gegen die Apartheid entstanden­en Zivilgesel­lschaft zuzuschrei­ben, zu der einst auch Gewerkscha­ftsführer Ramaphosa zählte.

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Die Wahl war erst der Beginn: Cyril Ramaphosa sagt als neuer Präsident Südafrikas Korruption und Misswirtsc­haft den Kampf an.

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