Illegaler Müllexport kostet Österreich 150 Millionen im Jahr
Sammlertrupps aus dem Osten verhindern Verwertung von Elektroaltgeräten und Autos
Wien – Es ist ein Geschäft, an dem manche gar nicht anstreifen möchten, andere hingegen umso mehr: die Entsorgung von Müll. Bis zu 150 Millionen Euro gehen Schätzungen der Arge österreichischer Abfallverbände der heimischen Volkswirtschaft Jahr für Jahr verloren, weil ausrangierte Geräte mit wertvollen Inhaltsstoffen jenseits der Grenze landen.
Nach Angaben von Johann Mayr, Bundeskoordinator der Abfallverbände, landen von den rund 250.000 Kraftfahrzeugen, die in Österreich jährlich abgemeldet und ausrangiert werden, nur etwa 50.000 in heimischen Schreddereien. Auch Waschmaschinen, Kühlschränke und Computer werden von professionellen Sammlerbrigaden aus der Slowakei und Ungarn in konzertierten Aktionen außer Landes gebracht.
„Viele sind sich gar nicht bewusst, dass sie eine Verwaltungsübertretung begehen, indem sie ihr Altgerät nicht lizenzierten Müllsammlern geben“, sagte Mayr dem STANDARD.
In dieselbe Kerbe schlägt Elisabeth Giehser von der Elektroaltgeräte-Koordinierungsstelle Austria. „Vor Jahren hat man das noch weniger streng gesehen als heute. Mit den ganzen Vorgaben, die es mittlerweile hinsichtlich getrennter Entsorgung gibt, hat sich das radikal geändert.“
Das Phänomen der illegalen Müllsammlung beschränkt sich auf die Bundesländer Ober- und Niederösterreich, Wien, Burgenland und die Steiermark. Kleinere Mengen landen in Tschechien, etwas mehr geht in die Slowakei. Das Gros aber wird in Ungarn ausgeschlachtet oder weiterverhökert bis in die Ukraine.
Deutlich zurückgegangen sind indes die Diebstähle von Kupferkabeln, von denen die ÖBB hauptsächlich betroffen war. Die Polizei hat kräftig aufgerüstet.
Sie kommen am helllichten Tag, klopfen an Fenster oder klingeln an Türen. Manche fahren mit dem Auto vor, stecken Flugblätter in Briefkästen und kündigen ihr Wiederkommen für nächsten, übernächsten oder einen anderen Tag an. Seit die Grenzen offen sind, hat der kleine Grenzverkehr zwischen Österreich und einigen Nachbarstaaten eine neue Bedeutung bekommen.
Es sind professionelle Sammlerbrigaden aus der Slowakei und Ungarn, die Österreichs Abfallverwertern seit geraumer Zeit sauer aufstoßen. Sie tragen zu einem massiven Schwund zum Teil wertvoller Materialien bei und drücken nebenbei die Auslastung heimischer Recyclingbetriebe.
Manche der Sammlertrupps sind bereits seit 20 oder 30 Jahren aktiv. Früher kamen sie mit offenem Auto und Anhänger, jetzt immer häufiger in geschlossenen Kastenwägen ohne Aufschrift.
„Vor Jahren hat man das weniger streng gesehen als heute. Mit den ganzen Vorgaben, die es mittlerweile hinsichtlich getrennter Entsorgung gibt, hat sich das radikal geändert“, sagte die Geschäftsführerin der Elektroaltgeräte Koordinierungsstelle Austria (EAK), Elisabeth Giehser, dem STANDARD.
Die EAK ist eine gemeinnützige Gesellschaft, in der Vertreter der Wirtschaftskammer sowie von der Elektroaltgeräte- und Batterieverordnung betroffene Branchenvertreter mitwirken. Die Koordinierungsstelle berichtet an das Umweltministerium und ist auch für die Dokumentation von Daten und die Berichterstattung an die Europäische Kommission zuständig.
Johann Mayr, Bundeskoordinator der Arge österreichischer Abfallverbände, schätzt den Schaden durch illegalen Müllexport allein bei Altmetall auf zehn bis 20 Millionen Euro pro Jahr.
Der Wert schwanke, weil sich die Schrottpreise dauernd änderten. Im Moment seien sie wieder ähnlich hoch wie 2008, als für die Tonne Schrott knapp 130 Euro gezahlt wurden. Für Aluminium gibt es rund 800 Euro je Tonne; Kupfer bringe „noch um einiges mehr, Messing liegt dazwischen“, sagte Mayr. Rechne man auch noch Altfahrzeuge dazu, die den Weg illegal über die Grenze fin- den, addiere sich der volkswirtschaftliche Schaden auf bis zu 150 Millionen Euro pro Jahr.
Von den rund 250.000 Kfz, die in Österreich Jahr für Jahr ausrangiert werden, landen nur etwa 50.000 in heimischen Schreddereien. Was mit dem Rest passiert, kann nur vermutet werden.
Kolonnen an Altautos
Wer auf der Ostautobahn Richtung Nickelsdorf fährt, bekommt diesbezüglich beinahe täglich eine Liveshow geboten: Nicht nur einzelne Fahrzeuge, mitunter ganze Kolonnen an Pkws aus Ungarn, Rumänien oder Bulgarien sind das mit verdepschten oder teilramponierten Autos im Schlepptau Richtung Grenze unterwegs. Wenn ein Auto funktionsuntüchtig ist, müsste es in Österreich entsorgt werden – wie Kühlschränke, Fernseher, Computer und anderes Elektrogerät auch.
„Viele sind sich gar nicht bewusst, dass sie eine Verwaltungsübertretung begehen, indem sie ihr Altgerät nichtlizenzierten Müllsammlern geben“, sagte Mayr, der Bundeskoordinator der Abfallverbände. „Für viele ist es einfach praktisch, wenn der Kühlschrank, der lange Zeit im Keller herumgestanden ist, wegkommt; manche glauben sogar, sie würden damit armen Leuten helfen. Das sind aber in der Regel keine armen Leute, das sind meist gut organisierte, professionelle Banden.“Was nicht gebraucht wird, landet nicht selten im Straßengraben.
Das Phänomen der illegalen Müllrekrutierung beschränkt sich auf den Osten Österreichs. Kleinere Mengen gehen laut Erhebungen der Polizei nach Tschechien, deutlich mehr in die Slowakei, das Gros aber nach Ungarn. Die Kleinstadt Devecser südöstlich von Györ (siehe Grafik) ist einer der Hauptumschlagplätze.
„Manche zahlen umgerechnet 300 Euro Standmiete, um das, was sie haben, feilbieten zu können“, sagte Mayr. Von Devecser wird Weißware und vieles andere bis in die Ukraine weiterverkauft.
Nachgelassen haben hingegen Diebstähle von Kupferkabeln, von denen nicht zuletzt die ÖBB eine Zeitlang stark betroffen war. Hier hat nicht zuletzt die bessere Zusammenarbeit mit der Polizei gefruchtet.