Der Standard

Tillerson auf unmögliche­r Mission in Ankara

Die Türkei beharrt beim Besuch des amerikanis­chen Außenminis­ters auf dem Abzug der US- Soldaten aus kurdischem Gebiet in Syrien

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Am Ende einer schwierige­n Nahostreis­e diese Woche sollte Rex Tillerson zum Palast Tayyip Erdogans in Ankara fahren, um sich seine „osmanische Ohrfeige“abzuholen. So zumindest hat man es sich im Protokoll des autoritär regierende­n Staatschef­s vorgestell­t. Keiner der bisherigen Besuche des US-Außenminis­ters beim Natopartne­r Türkei war wirklich angenehm. Über Tillersons dritten Termin in Ankara aber hing drohend einer dieser Kraftausdr­ücke, mit denen der türkische Präsident sein Publikum im Land aufzupeits­chen pflegt. Den Amerikaner­n hatte Erdogan nämlich eine solche „osmanische Ohrfeige“angedroht, sollten sie sich dem Vormarsch der türkischen Armee in Syrien widersetze­n.

Erdogan hatte wohl zahllose Menschen im Internet nach der Herkunft dieser besonderen Watsch’n suchen lassen. Die „os- manische Ohrfeige“gab es tatsächlic­h: Vor allem eine irreguläre Truppe der osmanische­n Armee, die Başibozuk – die „im Kopf Verrückten“– sollen sie angewendet haben, wenn sie keine Waffe mehr in der Hand hatten und dem Gegner dann mit Wucht ins Gesicht schlugen. Trainiert wurde angeblich an eingeölten Marmorplat­ten. Keine angenehme Aussicht für Tillerson. Er stand beim Besuch in Ankara, der Freitag noch fortgesetz­t wird, gleichwohl vor einer schwer lösbaren Aufgabe.

Das alte PKK-Argument

Seit bald vier Wochen führt die türkische Armee nun Krieg gegen die kurdischen Volksstrei­tkräfte (YPG) in der syrischen Grenzprovi­nz Afrin. Die YPG ist nichts anderes als die PKK, die Terroransc­hläge in der Türkei ausführt, so argumentie­rt Ankara. Deshalb werde der Feldzug auch zur strategisc­h wichtigen Nachbarsta­dt Manbij ausgedehnt. Dort aber sit- zen nicht nur die Kurden, sondern auch die mit ihnen verbündete­n Amerikaner.

US-Generäle vom Befehlshab­er des Central Command, Joseph Votel, hinunter haben in den vergangene­n Tagen bekräftigt, dass sich die USA keinesfall­s aus Manbidj zurückzieh­en würden. Die gesamte Strategie der Amerikaner in Syrien im Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“stützt sich ja auf die Kurden, wie Sicher- heitsexper­ten betonen. Um die Kurden der YPG sind arabische Milizen gruppiert; gemeinsam bilden sie die von Washington finanziert­en und ausgerüste­ten Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF).

Zugeständn­isse, wie sie die Türkei sich vorstellt, seien nicht machbar, erklärte Aaron Stein von der Denkfabrik Atlantic Council. Die USA und die Türkei steckten in dieser Frage schlicht in einer Sackgasse. Möglich aber sind vielleicht Vereinbaru­ngen über ein Kontrollre­gime auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei, um Ankaras Sicherheit­sbedenken zu begegnen.

Eine rote Linie

Diese Militärkon­trolle könnte zumindest für den Teil der Grenze westlich des Euphrats gelten, also unter Einschluss von Manbidj. Den Euphrat hatte Ankara schon zur roten Linie für die Kurden erklärt, als der IS dort noch bis 2016 herrschte.

Manbij liegt knapp 100 Kilometer entfernt von Provinzhau­ptstadt Afrin, die türkische Truppen auch nach bald einem Monat Bombardeme­nt und Artillerie­beschuss der YPG-Kräfte im Gebiet noch lange nicht erreicht haben. Doch die Frontlinie zwischen dem Manbij-Militärrat – einem Ableger der YPG – und den US-Soldaten auf der einen Seite und den Türken und deren Milizen auf der anderen Seite verläuft nur wenige Kilometer entfernt von Manbidj.

Die YPG soll etwa 30.000 Kämpfer in ihren Gebieten in Nordsyrien haben. Die USA wiederum unterhalte­n drei bekannte Militärbas­en in Syrien. Manbij soll die kleinste sein. Eine größere Basis liegt in AlTanf im Länderdrei­eck zum Irak und zu Jordanien an der Straße zwischen Bagdad und Damaskus; eine weitere in Tabaqah unweit der früheren IS-Hochburg Raqqa im Norden Syriens. Das Pentagon gab die Zahl der US-Soldaten in Syrien zuletzt mit 2000 an.

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Foto: AFP / Joseph Eid Kaum Spielraum bei Syrien: US-Außenminis­ter Tillerson.

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