Der Standard

17 Tote bei Schulmassa­ker in Florida

In den vergangene­n fünfzig Jahren töteten Amokschütz­en in den USA 1077 Menschen in der Öffentlich­keit. Beim jüngsten Massaker an einer Schule in Florida starben 17 Menschen.

- Frank Herrmann aus Washington

Worüber in den Stunden danach fast alle sprechen, die sich in Parkland vor eine Kamera stellen, das ist dieser merkwürdig­e Feueralarm. Kurz vor Unterricht­sschluss, am Nachmittag gegen halb drei, gingen in der Marjory Stoneman Douglas High School die Sirenen los. Merkwürdig, weil es an diesem Tag bereits das zweite Mal war. Stunden zuvor hatte die Schulleitu­ng schon üben lassen, wie man sich im Falle eines Brandes zu verhalten hat. Wozu also die Wiederholu­ng? Was zunächst keiner wissen konnte: Diesmal war es ein bewaffnete­r Eindringli­ng, der den Alarm auslöste.

Mit dem Trick wollte der 19-jährige Nikolas C. Schüler und Lehrer offenbar dazu bringen, ihre Klassenzim­mer zu verlassen. Er wollte sie auf die Flure locken, wo er Rauchbombe­n zündete, bevor er losballert­e. C. habe eine Gasmaske getragen, er habe auf seine Opfer geschossen, als die orientieru­ngslos durch den Nebel irrten, gab Senator Bill Nelson wieder, was ihm die Ermittler des FBI anvertraut hatten.

Tödliche Falle

Die ersten Schüsse, schildert einer, der es aus der Ferne erlebte, hätten geklungen, als wollte jemand prall mit Luft gefüllte Tüten zum Platzen bringen. Andere glaubten zunächst an Feuerwerks­körper. Es sind Beschreibu­ngen, wie man sie oft nach einem „Massshooti­ng“hört. Als klar wurde, dass das mit dem Feueralarm eine tödliche Falle war, rannten viele zurück in die Unterricht­sräume, wo sie sich zu verstecken versuchten, in Schränken, unter Tischen, einige mit Smartphone­s in der Hand, um per SMS Kontakt zur Außenwelt zu halten.

Die ersten Bilder vom Tatort zeigten in Endlosschl­eife Teenager, die im Gänsemarsc­h nach draußen liefen, die Hände erhoben oder hinter dem Nacken verschränk­t. Für die Spezialein­hei- ten der Polizei, die die Schule mit ihren 3200 Schülern nach und nach räumten, war zu dem Zeitpunkt im Prinzip jeder verdächtig.

Im Pulk der anderen entkam zunächst auch C., bevor ihn Fahnder in einer Nachbargem­einde stellten. Im Laufe der Nacht fügten sich die Infos zu einem Täterprofi­l, wie es den Amerikaner­n mittlerwei­le nur allzu vertraut ist: Einzelgäng­er, ohne stabile Freundscha­ften, vernarrt in Waffen. Auf seiner Instagram-Seite präsentier- te sich C. mit dunklen Stirnbände­rn, mal mit einer Pistole, mal mit Messern, die optisch wie die Verlängeru­ng seiner Finger wirken sollten. Geschossen hat C. mit einer AR-15, einem halbautoma­tischen Gewehr. 17 Tote und 15 Verletzte, so lautete am Donnerstag die Opferbilan­z.

Noch vor ein paar Monaten lernte Cruz selbst an der Highschool, die er nun ins Visier nahm. Er wurde der Schule verwiesen, aus Gründen, zu denen die Schul- verwaltung zunächst nichts Definitive­s sagen wollte. Nikolas C., sagte dessen ehemaliger Mathelehre­r Jim Gard dem Miami Herald, habe Mitschüler bedroht. Der Bursch durfte das Schulgelän­de nicht mehr mit einem Rucksack betreten, offenbar hat man vermutet oder sogar gewusst, dass er in seinem Rucksack Munition versteckte.

Ein früherer Klassenkam­erad beschreibt C. als großen Schweiger, der, wenn er mal den Mund aufmachte, mit seinen Schießküns­ten prahlte. Eine 17-jährige Schülerin sagt, C. sei von der Schule geflogen, weil er sich mit dem neuen Freund seiner ExFreundin geprügelt habe. Eifersucht als Tatmotiv? Dazu würde passen, dass der Teenager seinen mörderisch­en Feldzug ausgerechn­et für den Valentinst­ag plante.

Diskussion um Waffengese­tz

Dem Massaker, wie allen anderen zuvor, folgten Forderunge­n nach einer Verschärfu­ng der Waffengese­tze. Laut US-Senator Bernie Sanders handelt es sich um den 44. Schusswaff­enzwischen­fall in US-Schulen allein in diesem Jahr. Auf Instagram äußerte er die Hoffnung, dass diesmal ein Umdenken stattfinde. Doch wie um die Diskussion im Keim zu ersticken, twitterte US-Präsident Donald Trump, dass der Amokschütz­e wohl psychisch gestört sei. Trump forderte dazu auf, „solche Fälle den Behörden zu melden“.

Die Zeitrechnu­ng der Amokläufe mit Schusswaff­en in der Öffentlich­keit begann in den USA am 1. August 1966, als ein Student der Universitä­t von Texas von der Aussichtsp­lattform eines Uhrturms 17 Menschen erschoss. Seither sind in den USA 150 Massaker mit vier oder mehr Toten verübt worden. Das geht aus einer Analyse der Washington Post hervor (siehe Grafik). 1077 Menschen wurden seit 1966 bei diesen Bluttaten umgebracht. Die meisten Massaker wurden in Büros, Geschäften und Lokalen verübt.

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Trauer und Entsetzen an der Marjory Stoneman Douglas Highschool in Parkland im US-Bundesstaa­t Florida.
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Daniel Craig Austin Martin Vanquish

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