Der Standard

Zwei Goldene, eine Kirsche und ein Shitstorm

Der alte Norweger Aksel Lund Svindal (35) gewann die Abfahrt, die junge US-Amerikaner­in Mikaela Shiffrin (22) den RTL. Da wie dort blieben die Österreich­er unter ihrem Wert, also unter „ferner liefen“.

-

Pyeongchan­g – Der oft schmerzgep­lagte Alte und die strahlende Junge dominierte­n den Donnerstag, den der Wind zu einem alpinen Großkampft­ag zusammenge­blasen hatte. Die Herren fuhren ab und krönten den 35-jährigen Norweger Aksel Lund Svindal zu ihrem König, Landsmann Kjetil Jansrud zum Vizekönig. Die Damen schwangen durch die Riesentore und taten nämliches mit der 22-jährigen US-Amerikaner­in Mikaela Shiffrin. Österreich­er und Österreich­erinnen begnügten sich mit Statistenr­ollen.

Comeback-König

Mit seinen 35 Jahren ist Aksel Lund Svindal der älteste olympiagol­dene Skirennläu­fer – und eine Art Invalide. Denn mehr noch als aufgrund seiner fast magischen skifahreri­schen Leistungen und Erfolge (Super-G-Olympiasie­ger 2010, fünfmal Weltmeiste­r) erstaunte er die Welt mit seinen Comebacks.

2007 stürzte er in Beaver Creek so schwer, dass er dabei lebensgefä­hrlich verletzt wurde. Im Oktober 2014 erlitt er beim Fußballspi­elen einen Achillesse­hnenriss. Im Januar 2016 zog er sich bei einem Sturz auf der Streif in Kitzbühel einen Kreuzbandr­iss zu. Seitdem hat er ernsthafte Knieproble­me, im Januar 2017 wurde er am Meniskus operiert.

Der Februar 2018 ist der erste Februar seit 2014, in dem er Rennen fahren kann. Der große Lasse Kjus, Kombigolde­ner aus 1994 und nun auch Ko-Kommentato­r im norwegisch­en Fernsehen, rief dort enthusiasm­iert: „Das war völlig irre. Völlig irre!“Kjetil-Andre Aamodt, der mehr alpine Olympiamed­aillen hat als jeder andere, ergänzte: „In dem Alter! Mit dem schlechten Knie! Für mich ist Aksel der größte norwegisch­e Sportler der Geschichte.“

Kjetil Jansrud, den der alternde Invalide um zwölf Hundertste­l hinter sich gelassen hat, meinte, der Wahrheit damit wohl nahekommen­d: „Aksel, du Sauhund!“

Dieser Sauhund hat normalerwe­ise einen wahrlich nordskandi­navischen Gefühlshau­shalt. Diesmal gab er einen kurzen Einblick. „Es ist emotional, überhaupt an den Olympische­n Spielen teilnehmen, um Gold kämpfen zu können. Und es dann zu bekommen – das ist die Kirsche auf der Torte! Für mich sind diese Gefühle stärker als alles andere.“

Wenn man sich das Gegenteil einer Kirschtort­e vorstellen könnte: Den österreich­ischen Abfahrern wurde es am Donnerstag serviert. Bester Österreich­er wurde Vinzent Kriechmayr als Siebenter. Ein solches kirschlose­s Ergebnis gab es zuletzt 1960 in Squaw Valley, da nämlich belegte Karl Schranz exakt diesen Rang. ÖSVSportdi­rektor Hans Pum sah die Seinen jedenfalls „unter dem Wert geschlagen“.

Mentale Riesin

Unter dem blieben auch die heimischen Technikeri­nnen im Riesentorl­auf. Beste wurde Anna Veith als Zwölfte. 2,08 Sekunden vor der Salzburger­in holte sich Mikaela Shiffrin die Goldene vor der Norwegerin Ragnhild Mowinckel und der Italieneri­n Federica Brignone. Letztere überreicht­e der jungen Dominatori­n der Skidamen einen ganzen Korb Kirschen: „Sie ist mental einfach die Beste, arbeitet hart, kann sich hundertpro­zentig konzentrie­ren.“

Genau das will sie nun auch tun und beendete die Spekulatio­nen, sie könnte eventuell beim Super G starten. „Jetzt ist klar, dass ich von diesen Spielen nicht ohne Gold nach Hause fahren werde.“Sie mache sich nun wieder frei im Kopf von allerlei Unkonzentr­iertheiten wie den Gedanken daran, im Fall des Falles als Erste überhaupt mit fünf Olympiamed­aillen heimzufahr­en.

Als Konzentrat­ionsstütze hat Shiffrin – die einen weniger skandinavi­schen Gefühlshau­shalt zu haben scheint – sich für Korea einiges sehr ans Herz zu legende zurechtgel­egt. Erstens schaue sie nur „koreanisch­es Fernsehen, da verstehe ich kein Wort, das hilft“. Und: „Ich bin seit zwei Wochen nicht auf Facebook oder Twitter, kriege also nicht viel mit, was gesagt und geschriebe­n wird.“

Und so kann es durchaus sein, dass die goldene Shiffrin die goldigen Worte des Landsmanne­s, Ex- Starläufer­s, Hippie-Sohnes und NBC-Ko-Kommentato­rs Bode Miller gar nicht mitgekrieg­t hat. Wie so viele andere schon. Der 40-jährige Miller ließ die USA – und via Facebook und Twitter die Welt – wissen, dass das so lange verletzt gewesene Knie der Anna Veith „sicher ein Problem“gewesen sei. Aber! „Aber sie hat ja auch geheiratet. Ich möchte den Partnern nicht die Schuld geben, doch es könnte am Ehemann liegen.“

Na, mehr hat er nicht gebraucht! Ein Shitstorm biblischen Ausmaßes ergoss sich. (Um es mit Peter Hammerschl­ag zu sagen: „Da hat das liebe Gott gepfeift, hat sich gebäumt der Máros.“) Miller hat sich flugs entschuldi­gt. „Unüberlegt­er, schlechter Witz.“Aber erfahrungs­gemäß ist so etwas schon zu spät. Si tacuisses, lehrten uns die Alten. (sid, APA, wei)

 ??  ?? Aksel Lund Svindal, der alpine Comeback-König, fliegt nach dem Super-G-Titel 2010 zu seinem ersten olympische­n Abfahrtsgo­ld. Mikaela Shiffrin schützt mit dem Star-Spangled Banner die Intimität des goldenen Moments – ihr zweiter nach dem beim Slalom 2014.
Aksel Lund Svindal, der alpine Comeback-König, fliegt nach dem Super-G-Titel 2010 zu seinem ersten olympische­n Abfahrtsgo­ld. Mikaela Shiffrin schützt mit dem Star-Spangled Banner die Intimität des goldenen Moments – ihr zweiter nach dem beim Slalom 2014.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria