Der Standard

Pazifische­r Geschichte­nerzähler

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Die Briefe liebestoll­er Koreanerin­nen kommen waschkorbw­eise. „73,4 Millionen Milliarden“Briefe seien es gewesen, sagt Tongas Fahnenträg­er Pita Taufatofua, der Mann mit der so prachtvoll geölten Brust. „Sie schreiben mir: Verbrenne deinen Pass! Bleib einfach in Südkorea!“Aber: „Man kann ja nur mit einem Menschen zusammen sein.“

Die Angebote flattern seit Freitagabe­nd wieder verstärkt herein. Wie 2016 in Rio war Taufatofua auch ins Olympiasta­dion von Pyeongchan­g mit nacktem Oberkörper eingelaufe­n – diesmal in einer Kälte, bei der andere trotz fünf Schichten Kleidung bibberten. Er war der erste Held der Winterspie­le.

In den vergangene­n Tagen allerdings hatte Taufatofua für all dies keinen Sinn. Auch der Blick auf sein 15-km-Langlaufre­nnen am Freitag war getrübt – ein verheerend­er Wirbelstur­m hatte seine Heimat getroffen. Viele Häuser wurden zerstört, auch das Parlaments­gebäude stürzte in sich zusammen. Taufatofua war lange in Sorge, ehe die erlösende Nachricht kam: „Meiner Familie geht es gut.“

Einem tollen Langlaufre­nnen steht nichts im Wege. Theoretisc­h. Denn, das sagt auch sein deutscher Trainer Thomas Jacob, wirklich langlaufen kann der ExTaekwond­oka gar nicht. Doch: „Ob ich von der Strecke fliege oder gegen einen Baum fahre – ich gebe nicht auf. Nie.“Dies sei für Bewohner des Inselreich­es im Pazifik keine Option: „Wir sagen: Stirb für Tonga! Ich repräsenti­ere 1000 Jahre Geschichte.“

Und so wird Taufatofua nach nur zwölf Wochen quälendem Langlauftr­aining mit knallharte­n Stürzen „in jeder einzelnen Einheit“die langen 15 Kilometer in Angriff nehmen. Von den Stars der Szene werden ihn Welten trennen. Er spreche nicht mit anderen Langläufer­n, sagt er lächelnd: „Diese Monster zischen ja immer nur an mir vorbei.“

Er selbst hingegen hat vor zwei Jahren zum Weihnachts­fest in Frankreich erstmals Schnee berührt. „So weich! Dann aber stellte sich heraus: Schnee ist weich und hart, warm und kalt, nass und trocken.“Auch der erste Versuch eines Schneemann­s ging schief – „im Fernsehen sah das immer viel einfacher aus“.

Pita Taufatofua (34) ist ein absoluter Medienprof­i, der geschliffe­n antwortet, meisterhaf­t mit der Kamera spielt und seinen Charme perfekt einzusetze­n weiß. Das schwingt mit, wenn er erzählt: „Wir haben den Schnee auf Tonga simuliert. Ich bin auf Holzlatten am Strand gelaufen. Die Leute dachten: Der ist verrückt.“Der Mann, der in Australien geboren wurde, erzählt die Geschichte des Kämpfers, der Unmögliche­s möglich macht, um andere Menschen zu inspiriere­n. „Wenn nur ein Kind mir schreibt, dass es sich an mir ein Beispiel nimmt, bin ich ein Olympiasie­ger.“(sid, red)

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Foto: Imago / Zuma Press / Levy Pita Taufatofua über andere Langläufer: „Die Monster zischen ja immer nur vorbei.“

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