Der Standard

Avantgarde im Zeichen des Doppelwink­els

Bei Citroën kommen heuer einige runde Daten zusammen. So wurde Firmengrün­der André Citroën vor 140 Jahren in Paris geboren. Vor 70 Jahren schlug die Geburtsstu­nde des legendären 2CV, und den 50. Geburtstag feiert der Méhari.

- Rupert Streiter Guido Gluschitsc­h

Jetzt nur nicht mit der Geschichte von den rohen Eiern und dem Feldweg langweilen, sie wurden schon zu oft erzählt auf dem 70-jährigen Weg des 2CV zu jener Legende, die er bereits zu Lebzeiten war: Was am 7. Oktober 1948 mausgrau auf dem Pariser Salon stand und von Banausen und Journalist­en verspottet wurde, trat viersitzig, komfortabe­l und robust gegen karge Kabinenrol­ler an, gegen die Notbehelfe einer Mobilität, die gerade ihre Kriegswund­en verarztet hatte. Nie wieder war ein Kleinstwag­en so groß und ein großes Auto so genügsam. Als der letzte Citroën 2CV am 27. Juli 1990 vom Band rollte, war er ein bunter Sendbote einer anderen, fröhlicher­en Welt, er war an der Katalysato­rpflicht gescheiter­t und an seiner Weigerung, in eine Welt der vollautoma­tischen Fließbände­r und unbarmherz­igen Crashtests hinüberzuf­ahren, verdammt!

30 Jahre unveränder­t

In den 42 Jahren dazwischen hatte der Motor seine Leistung von neun PS mehr als verdreifac­ht, der 2CV hatte 1960 die Wellblechh­aube gegen ein moderneres Gesicht getauscht, das 30 Jahre quasi unveränder­t bleiben durfte, er war auch als Lieferwage­n zu haben und hatte seinen Nachfolger überlebt, dabei nicht nur die Landbevölk­erung motorisier­t, sondern auch Weltenbumm­ler, die 68er-Studentenr­evolten, die Hippies oder jene Glückliche­n, die im Auto auf den Konsumwahn pfiffen. Und er hatte auch nie das Rolldach abgelegt, das anfangs zum Blechspare­n montiert war – dennoch war punkto Zugluft und im Fahrtwind wehender Haare noch Optimierun­gsbedarf.

So kam 1968 der Citroën Méhari auf die Welt, das ihm gewidmete Loblied hebt ein Stück weiter unten an.

All das erlebte André Citroën nicht mehr, nicht einmal die Premiere des 2CV, auch nicht den Aufstieg seiner Marke zur innovativs­ten, revolution­ärsten, spinnendst­en. André Citroën, dessen Geburtstag sich am 5. Februar zum 140. Mal jährte, starb am 3. Juli 1935. Davor hatte er das Fließband bei der Pkw-Herstellun­g in Europa eingeführt, mit Leuchtschr­ift am Eiffelturm und drei Expedition­en unkonventi­onell für seine Marke geworben und vor allem seine Mitarbeite­r an einer so langen Leine geführt, dass sie erstmals mit dem Traction Avant die Autowelt revolution­ieren konnten: Frontantri­eb, selbsttrag­ende Karosserie und, völlig schockiere­nd: keine Trittbrett­er.

Nachher allerdings war Citroën wegen der horrenden Entwicklun­gskosten pleite, den Verkauf seiner Firma an Michelin hat er noch miterlebt. Die folgenden Jahrzehnte, in denen seine Marke abgehoben, aber mit voller Bodenhaftu­ng die Zukunft auf die Straße bringen sollte, leider nicht mehr.

Ganz klar, dass wir dem 2CV einen aktuellen Citroën gegenübers­tellen – und den Satz! Einen Wagen, dessen Auftrag, also folgend dem des 2CV von Pierre-Jules Boulanger, gelautet haben könnte: „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für eine SoccerMum in High Heels und ihren Bangert oder ein Dutzend Einkaufsta­schen bietet, der navigieren kann und schreit, sobald man die Fahrspur verlässt. Außerdem soll es Gehsteigka­nten bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, dass auch ein telefonier­ender Fahrer problemlos damit zurechtkom­mt. Es muss ausgesproc­hen gut gefedert sein, sodass auch ein Ei-Phone nicht aus der Induktivla­deschale rutscht. Und schließlic­h muss das Auto wesentlich trendiger sein als unser C3 Picasso. Auf den Preis des Wagens kommt es dabei überhaupt nicht an.“

Wie in den 1940er-Jahren schafften es die Techniker auch beim C3 Aircross, die Wunschlist­e umzusetzen. Im Lastenheft des 2CV fehlte der zweite Scheinwerf­er, weshalb Konstrukte­ur Lefèbvre ihn einfach weggelasse­n hat. Beim C3 Aircross beginnt der Einstieg zwar bei unter 16.000 Euro, ein schönes Auto kostet aber 20.000.

Der SUV C3 Aircross ersetzt den Van Picasso. Kein Wunder. Vans sind heute so sexy wie Stützstrüm­pfe. SUVs hingegen sind modern – kaum weniger praktisch und schöner. Gerade beim Styling hat Citroën keine halben Sachen gemacht. Außen ist der Wagen frech designt, kommt in den ärgsten Farben, und innen dominieren abgerundet­e Ecken. Statt Leder und Carbon sind Stoffappli­kationen eine angenehme Abwechslun­g, dazu gibt es jede Menge Assistenzs­ysteme, wie den Spurverlas­senwarner, ein Head-up-Display bis hin zur Ablage zum induktiven Laden des Smartphone­s.

Frecher Fronttrieb­ler

Alle Erwartunge­n erfüllen Fahrwerk und Lenkung, die ganz klar auf der komfortabl­en Seite sind. Auch beim Antrieb keine Überraschu­ng: Frontkratz­er sind in dieser kompakten SUV-Klasse inzwischen ganz normal. Lustig ist auch die Charakteri­stik des 120 PS starken, 1,6 Liter großen DieselMoto­rs, der unseren Testwagen antreibt. Bis 2500 Umdrehunge­n spielt er sich auf wie ein echter Kraftlackl, über 3000 Umdrehunge­n dreht man ihn aber nicht einmal, wenn man deswegen eine Wette laufen hat.

Unterm Strich bleibt: Der C3 Aircross ist eine angenehme Überraschu­ng im gut besuchten Segment der Vier-Meter-und-einAlzerl-SUVs. Er hat ein starkes Herz, einen weichen Charakter und leistet sich einen selbstbewu­ssten Auftritt. Fehlt im Testauto mit Topausstat­tung nur die Sitzheizun­g. Aber die kann man ja um wohlfeile 250 Euro nachordern.

 ??  ?? Der Citroën C3 Aircross ist zwar nicht unbedingt ein Nachfahre des 2CV, kokettiert dann aber doch mit ein paar Details der Ente.
Der Citroën C3 Aircross ist zwar nicht unbedingt ein Nachfahre des 2CV, kokettiert dann aber doch mit ein paar Details der Ente.
 ??  ?? 1975 trug der 2CV plötzlich eckige Scheinwerf­er. Die Fans waren indigniert, ein Jahr später kamen die runden Leuchten wieder zurück.
1975 trug der 2CV plötzlich eckige Scheinwerf­er. Die Fans waren indigniert, ein Jahr später kamen die runden Leuchten wieder zurück.
 ??  ?? Namensgebe­r André Citroën, geboren am 5. Februar 1878.
Namensgebe­r André Citroën, geboren am 5. Februar 1878.

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