Avantgarde im Zeichen des Doppelwinkels
Bei Citroën kommen heuer einige runde Daten zusammen. So wurde Firmengründer André Citroën vor 140 Jahren in Paris geboren. Vor 70 Jahren schlug die Geburtsstunde des legendären 2CV, und den 50. Geburtstag feiert der Méhari.
Jetzt nur nicht mit der Geschichte von den rohen Eiern und dem Feldweg langweilen, sie wurden schon zu oft erzählt auf dem 70-jährigen Weg des 2CV zu jener Legende, die er bereits zu Lebzeiten war: Was am 7. Oktober 1948 mausgrau auf dem Pariser Salon stand und von Banausen und Journalisten verspottet wurde, trat viersitzig, komfortabel und robust gegen karge Kabinenroller an, gegen die Notbehelfe einer Mobilität, die gerade ihre Kriegswunden verarztet hatte. Nie wieder war ein Kleinstwagen so groß und ein großes Auto so genügsam. Als der letzte Citroën 2CV am 27. Juli 1990 vom Band rollte, war er ein bunter Sendbote einer anderen, fröhlicheren Welt, er war an der Katalysatorpflicht gescheitert und an seiner Weigerung, in eine Welt der vollautomatischen Fließbänder und unbarmherzigen Crashtests hinüberzufahren, verdammt!
30 Jahre unverändert
In den 42 Jahren dazwischen hatte der Motor seine Leistung von neun PS mehr als verdreifacht, der 2CV hatte 1960 die Wellblechhaube gegen ein moderneres Gesicht getauscht, das 30 Jahre quasi unverändert bleiben durfte, er war auch als Lieferwagen zu haben und hatte seinen Nachfolger überlebt, dabei nicht nur die Landbevölkerung motorisiert, sondern auch Weltenbummler, die 68er-Studentenrevolten, die Hippies oder jene Glücklichen, die im Auto auf den Konsumwahn pfiffen. Und er hatte auch nie das Rolldach abgelegt, das anfangs zum Blechsparen montiert war – dennoch war punkto Zugluft und im Fahrtwind wehender Haare noch Optimierungsbedarf.
So kam 1968 der Citroën Méhari auf die Welt, das ihm gewidmete Loblied hebt ein Stück weiter unten an.
All das erlebte André Citroën nicht mehr, nicht einmal die Premiere des 2CV, auch nicht den Aufstieg seiner Marke zur innovativsten, revolutionärsten, spinnendsten. André Citroën, dessen Geburtstag sich am 5. Februar zum 140. Mal jährte, starb am 3. Juli 1935. Davor hatte er das Fließband bei der Pkw-Herstellung in Europa eingeführt, mit Leuchtschrift am Eiffelturm und drei Expeditionen unkonventionell für seine Marke geworben und vor allem seine Mitarbeiter an einer so langen Leine geführt, dass sie erstmals mit dem Traction Avant die Autowelt revolutionieren konnten: Frontantrieb, selbsttragende Karosserie und, völlig schockierend: keine Trittbretter.
Nachher allerdings war Citroën wegen der horrenden Entwicklungskosten pleite, den Verkauf seiner Firma an Michelin hat er noch miterlebt. Die folgenden Jahrzehnte, in denen seine Marke abgehoben, aber mit voller Bodenhaftung die Zukunft auf die Straße bringen sollte, leider nicht mehr.
Ganz klar, dass wir dem 2CV einen aktuellen Citroën gegenüberstellen – und den Satz! Einen Wagen, dessen Auftrag, also folgend dem des 2CV von Pierre-Jules Boulanger, gelautet haben könnte: „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für eine SoccerMum in High Heels und ihren Bangert oder ein Dutzend Einkaufstaschen bietet, der navigieren kann und schreit, sobald man die Fahrspur verlässt. Außerdem soll es Gehsteigkanten bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, dass auch ein telefonierender Fahrer problemlos damit zurechtkommt. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass auch ein Ei-Phone nicht aus der Induktivladeschale rutscht. Und schließlich muss das Auto wesentlich trendiger sein als unser C3 Picasso. Auf den Preis des Wagens kommt es dabei überhaupt nicht an.“
Wie in den 1940er-Jahren schafften es die Techniker auch beim C3 Aircross, die Wunschliste umzusetzen. Im Lastenheft des 2CV fehlte der zweite Scheinwerfer, weshalb Konstrukteur Lefèbvre ihn einfach weggelassen hat. Beim C3 Aircross beginnt der Einstieg zwar bei unter 16.000 Euro, ein schönes Auto kostet aber 20.000.
Der SUV C3 Aircross ersetzt den Van Picasso. Kein Wunder. Vans sind heute so sexy wie Stützstrümpfe. SUVs hingegen sind modern – kaum weniger praktisch und schöner. Gerade beim Styling hat Citroën keine halben Sachen gemacht. Außen ist der Wagen frech designt, kommt in den ärgsten Farben, und innen dominieren abgerundete Ecken. Statt Leder und Carbon sind Stoffapplikationen eine angenehme Abwechslung, dazu gibt es jede Menge Assistenzsysteme, wie den Spurverlassenwarner, ein Head-up-Display bis hin zur Ablage zum induktiven Laden des Smartphones.
Frecher Fronttriebler
Alle Erwartungen erfüllen Fahrwerk und Lenkung, die ganz klar auf der komfortablen Seite sind. Auch beim Antrieb keine Überraschung: Frontkratzer sind in dieser kompakten SUV-Klasse inzwischen ganz normal. Lustig ist auch die Charakteristik des 120 PS starken, 1,6 Liter großen DieselMotors, der unseren Testwagen antreibt. Bis 2500 Umdrehungen spielt er sich auf wie ein echter Kraftlackl, über 3000 Umdrehungen dreht man ihn aber nicht einmal, wenn man deswegen eine Wette laufen hat.
Unterm Strich bleibt: Der C3 Aircross ist eine angenehme Überraschung im gut besuchten Segment der Vier-Meter-und-einAlzerl-SUVs. Er hat ein starkes Herz, einen weichen Charakter und leistet sich einen selbstbewussten Auftritt. Fehlt im Testauto mit Topausstattung nur die Sitzheizung. Aber die kann man ja um wohlfeile 250 Euro nachordern.