Neue Initiative gegen staatliche Überwacher
Deutsche Gesellschaft für Freiheitsrechte geht gegen Menschenrechtsverletzungen vor
Wien – Ausufernde Überwachungsmaßnahmen wurden in den vergangenen Jahren eher von Höchstgerichten als von der Politik selbst gestoppt. Ein Beispiel dafür ist die Vorratsdatenspeicherung, die europaweit von Höchstgerichten gekippt wurde – beispielsweise in Österreich, Deutschland oder vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die Prozessführung in solchen Fällen ist jedoch schwierig: Sogar gut vernetzten Nichtregierungsorganisationen fehlen oft Expertise und Mittel, um solche Mammutprozesse zu stemmen. Hier will nun die deutsche Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) helfen, die vor einem halben Jahr ihren Vollbetrieb aufgenommen hat.
Andockstelle
„Wir möchten eine Andockstelle für andere Organisationen sein und strukturiert gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen“, sagt ihr Generalsekretär Malte Spitz zum STANDARD. Spitz gilt als einer der renommiertesten Datenschutzaktivisten im deutschsprachigen Raum, er sorgte etwa mit der Veröffentlichung seiner eigenen Vorratsdaten für Aufsehen. Vorratsdaten beschäftigen die GFF auch jetzt wieder. Die deutsche Bundesregierung hatte 2015 eine neue Version der umstrittenen Datenspeicherung verab- schiedet, die kürzere Speicherfristen als die gekippte Fassung vorsieht. Zurzeit sucht die GFF Freiwillige, um auch die jetzige deutsche Vorratsdatenspeicherung zu Fall zu bringen. Außerdem soll der Einsatz des sogenannten Staatstrojaners in Deutschland und das Ausspionieren von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) gestoppt werden. Die Fälle zeigen derzeit einen Fokus auf elektronische Überwachung, prinzipiell will die neue Initiative aber alle menschenrechtsrelevanten Sachverhalte bearbeiten, sagt Spitz. Der Vorstand der Organisation setzt sich aus juristischen Experten zusammen. Vorsitzender Ulf Buermeyer ist etwa Richter des Landes Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Berliner Verfassungsgerichtshofs.
Internationale Vorbilder
Als Vorbilder nennt die GFF die US-amerikanischen Institutionen American Civil Liberties Union (ACLU) und die Electronic Frontier Foundation (EFF). Genau wie diese will sich die deutsche Organisation primär über Spenden finanzieren. Momentan gäbe es nur kleinere institutionelle Förderungen, aber schon 1000 Fördermitglieder. Prozesse sollen primär gegen staatliche Eingriffe geführt werden, erklärt Spitz. Gemeinsam mit Noyb, der Organisation des österreichischen Datenschützers Max Schrems, die sich um Datenschutzverletzungen von privaten Unternehmen kümmern will, könnte die GFF zur Vorhut für Datenschutz in Europa werden.
Langfristig könnten auch Kooperationen im Hinblick auf Fälle aus Österreich entstehen, sagt Spitz. Wobei die in Deutschland geführten Prozesse ohnehin Auswirkungen auf den Nachbarstaat haben. So orientiert sich die österreichische Politik einerseits an der deutschen Regierung; andererseits könnten Fälle von deutschen Gerichten an den EuGH überwiesen werden und dann ohnehin europaweite Konsequenzen haben.