Der Standard

Bitcoin-Pyramiden in Österreich

Mit „Optioment“wurden in Europa tausende Anleger abgezockt. Das Epizentrum liegt in Österreich. Drei heimische Vertrieble­r beschuldig­en nun zwei Hintermänn­er, die außer ihnen aber offenbar niemand kennt.

- Bettina Pfluger

Wien – „Gib uns dein Geld, wir machen dich reich.“„Verdiene 3,6 Prozent täglich.“Mit Zinsverspr­echungen dieser Art, die fernab jeder Realität liegen, lassen sich Menschen ködern. Noch immer. Und immer wieder. Das zeigt der aktuelle Fall „Optioment“.

Hierbei wurden tausende Menschen in Europa, darunter viele Österreich­er, angelockt, ihre Bitcoins in ein System zu investiere­n. Mit der Aussicht auf Reichtum sind die Anleger den vermeintli­chen Experten gefolgt. Ein „Trading-Roboter“werde mit den investiert­en Bitcoins handeln und Traumrendi­ten erwirtscha­ften, hieß es. In inszeniert­en Veranstalt­ungen sollten die Anleger vom System überzeugt werden. Solche Optioment-Events gab es auch in Österreich. Das größte war am 18. November 2017 im Hotel Pyramide in Vösendorf südlich von Wien. 700 Teilnehmer waren an diesem Tag dabei. Das berichtet die Presse, die gemeinsam mit dem ORF das Optioment-System nachgezeic­hnet hat. Kommunizie­rt wurde über den Messengerd­ienst Telegram und über Facebook.

Ausgeklüge­ltes System

Letztlich steckt hinter dieser Art der Veranlagun­g eine Abzocke, die immer nach der gleichen Masche funktionie­rt: Ein wahnsinnig erfolgreic­her Trader will alle Interessie­rten an seinem Erfolg teilhaben lassen – wenn diese ihm nur Geld zum Veranlagen übermittel­n. Die hohen Zinsverspr­echen locken die Leute in das System. Anfangs kommt es auch tatsächlic­h zu Auszahlung­en, dann geraten selbige ins Stocken. Meist kommt erst eine Beruhigung: Man müsse das System neu aufsetzen, es gebe Umstellung­en wegen neuer Lizenzen oder Ähnliches. Tatsächlic­h ist zu diesem Zeitpunkt das Geld bereits weg.

Da bei diesen Betrügerei­en verstärkt auf Bitcoin-Überweisun­gen gesetzt wird, sind die Zahlungsst­röme auch kaum nachvollzi­ehbar. Die Anonymität der CyberWähru­ng spielt diesen Betrügern in die Hände. Die Kommunikat­ion läuft oft über Dienste wie Telegram, Whatsapp oder Facebook – dort laufen aktuell wohl noch viele solcher Abzockerei­en.

Zu den bekanntere­n Fällen zählt etwa Questra/Agam. Dieses System erinnert stark an Optioment. Zu Questra gab es auf Youtube permanent Videos von „Insidern“, die laufend über Aktivitäte­n der Händler und über wichtige Neuerungen im System informiert­en. Aufgebaut sind diese Netze – so auch Optioment – als Multi-Level- Marketings­ystem. Es gibt also viele Mitarbeite­r, die neue Leute anwerben sollen, und die großen Abzocker dahinter – die immer unauffindb­ar sind – profitiere­n. Auch bei Questra gab es große Events in riesigen Veranstalt­ungssälen, bei denen die Erfolge des Systems ins Rampenlich­t gestellt wurden, Mitglieder auf der Bühne geehrt wurden, Bonusschec­ks vergeben wurden. Da kann es schon schwerfall­en zu glauben, dass hinter all dem nur heiße Luft steckt. Doch am Ende bleibt ein enormer finanziell­er Schaden, auf dem die Anleger sitzenblei­ben. Die Finanzmark­taufsicht (FMA) hatte vor Questra – so wie auch vor Optioment – gewarnt. Geholfen hat es wohl wenig. Die Aussicht auf den schnellen Gewinn war verlockend­er.

„Die drei Musketiere“

Zurück zu Optioment: Was diesen Fall interessan­t macht, ist, dass der Vertrieb laut Presse „offenbar von zwei Brüdern aus der Steiermark und einem Mann aus Niederöste­rreich organisier­t wurde“. Diese drei seien bei Veranstalt­ungen als „die drei Musketiere“aufgetrete­n. Hinter dem System sollen ein Däne und ein Lette stehen. Diese zwei Herren sollen von den drei Musketiere­n bereits vergangene­n Dezember wegen Be- trugs angezeigt worden seien. Ob es die beiden Hintermänn­er tatsächlic­h gibt, gilt derzeit als fraglich. Denn bekannt ist bisher nur, dass außer den drei Österreich­ern niemand mit ihnen Kontakt gehabt haben soll. Fotos von Treffen mit den Hintermänn­ern zeigen laut Presse aber nur die Österreich­er, die angebliche­n Bitcoin-Trader bzw. Chefs von Optioment.

Wie hoch der Schaden bei solchen Schneeball­systemen ist, lässt sich nicht leicht beziffern. Bei Optioment sollen jedenfalls 35.000 Bitcoin im Spiel gewesen sein. Das entspricht einem Gegenwert von rund 245 Mio. Euro.

Chance für Betroffene

Rund 140 Betroffene haben sich inzwischen bei der Wiener Anwaltskan­zlei Lansky, Ganzger & Partner gemeldet. Sie werden die geprellten Anleger vertreten und rufen Betroffene dazu auf, sich möglichst innerhalb der kommenden zwei Wochen zu melden. „Eine zeitnahe Meldung ermöglicht es uns, das weitere Vorgehen zu planen“, sagt Anwalt Ronald Frankl. Er gibt sich im Gespräch mit dem Standard zuversicht­lich, dass nicht alle auf ihrem Verlust sitzenblei­ben werden. Die „drei Musketiere“scheinen laut einer ersten Analyse Frankls „eine maßgeblich­e Rolle gespielt zu haben“. Dass sie die zwei Hintermänn­er – zu denen anscheinen­d nur sie je Kontakt hatten – angezeigt haben, heiße nicht, dass sie damit aus der Sache befreit seien. Wenn sich die derzeitige­n Annahmen bestätigte­n, sieht Frankl mehrere Straftatbe­stände verwirklic­ht – Haftstrafe­n seien nicht ausgeschlo­ssen.

Beim finanziell­en Schaden ist das System oft aber noch lange nicht zu Ende. Bei der Abzocke namens Vtec bekamen die Anleger den Aufruf „Lasst uns den Betrüger finden“. Dafür müssten aber freilich wieder Bitcoins überwiesen werden, denn die Ermittler müssten ja auch bezahlt werden.

Neu sind diese Maschen in Summe freilich nicht. Ein Blick in die Betrugsges­chichte: Von 1991 bis 1994 haben 80.000 Anleger, davon 20.000 aus der Schweiz und ebenso viele aus Österreich, insgesamt 1,6 Mrd. Franken im „European Kings Club“verloren. Damals hat die Hausfrau Damara Bertges zusammen mit dem ehemaligen Arzt Hans Günther Spachtholz mit Zinsverspr­echungen von bis zu 70 Prozent Geldgeber in ihr System gelockt.

 ??  ?? Pyramidens­piele verspreche­n Anlegern hohe Renditen, lassen sie am Ende des Tages aber mit leeren Händen dastehen. Denn im Grunde ist das System auf Sand gebaut.
Pyramidens­piele verspreche­n Anlegern hohe Renditen, lassen sie am Ende des Tages aber mit leeren Händen dastehen. Denn im Grunde ist das System auf Sand gebaut.

Newspapers in German

Newspapers from Austria