Der Standard

Ein Quotentrau­m, der Beifall fordert

Im Leopold-Museum kann man erstmals einen Blick auf 175 Kunstwerke aus der üppigen Sammlung der österreich­ischen Milliardär­in Heidi Horten erhaschen. „Wow“titelt die von Agnes Husslein kuratierte Schau.

- Olga Kronsteine­r

Wien – Als das Leopold-Museum im Dezember sein Jahresprog­ramm für 2018 verlautbar­te, hatte man tatsächlic­h einen Coup parat, der dem Belvedere jahrelang verwehrt geblieben war. Von Mitte Februar an (bis 29. 7.) gewährt Milliardär­in Heidi Horten erstmals öffentlich­en Einblick in ihre private Kunstsamml­ung: Das Museum zeigt 175 Werke, die sonst ihre Domizile in New York, London, Kitzbühel oder am Wörthersee schmücken – nur eine Auswahl, denn insgesamt nennt sie rund 700 Gemälde, Grafiken und Skulpturen ihr Eigen. „Eine der bedeutends­ten europäisch­en Privatsamm­lungen“, attestiert Agnes Husslein-Arco.

Stolz schwingt unüberhörb­ar mit, schließlic­h beriet sie ihre Freundin über Jahrzehnte bei Ankäufen. Eine profitable Zweckgemei­nschaft: Hier eine an Kunst interessie­rte Milliardär­in, dort eine studierte Kunsthisto­rikerin und in der Szene bestens etablierte Kunstmanag­erin. Der Karriere Hussleins, insbesonde­re in ihrer Zeit als Geschäftsf­ührerin von Sotheby’s Österreich (1981– 2000), waren Hortens Shoppingto­uren durchaus förderlich. Eine vermögende Klientin, die, wie im Juni 1996, schon einmal 34 Wer- ke für 22 Millionen Dollar in einem Schwung ersteigert – derlei goutierte die Chefetage des Auktionsha­uses selbstrede­nd.

Die internatio­nalen Chronisten des Kunstmarkt­es verstiegen sich damals in Spekulatio­nen über den mysteriöse­n Käufer. Eine Telefonbie­terin, bei der es sich um „Mrs. Charmat“handle, wähnte die New York Times treffend, Witwe eines Kaufhausmo­guls, seit 1994 mit einem Jean-Marc Charmat verheirate­t. Die Ehe mit dem französisc­hen Blumengroß­händler ward 1998 wieder geschieden.

Das Interesse an Kunst blieb, die geschäftli­che wie freundscha­ftliche Verbindung zur kundigen Beraterin ebenso. Bisweilen wurden ganze Lkw-Ladungen gen Wörthersee transporti­ert und unter der Regie Hussleins in den Räumen der Villa verteilt, die einst ein Schloss war. Bis Helmut Horten die Liegenscha­ft erwarb und im Zuge eines Umbaus die oberen Geschoße abreißen ließ.

Über die Jahre wuchs die Kollektion stetig, auch während Hussleins Belvedere-Direktion (2007–2016), regelmäßig fanden Meetings in Hortens Wiener Büro oder ihrem Penthouse statt. Mit dem Ende dieser Ära wurden die Leihgaben abgezogen. Als das Finanzmini­sterium im Februar 2017 Husslein in den Vorstand der Leo-

pold-Museum-Privatstif­tung berief, rieb sich Hans-Peter Wipplinger vermutlich schon die Hände. Der Quotentrau­m jedes heimischen Museumsdir­ektors ging jedenfalls in Erfüllung. Ob man mit der von Husslein kuratierte­n Schau und nachfolgen­den die magische Grenze von 400.000 Besuchern überschrei­tet, wird sich weisen.

Wow, der Ausruf der Anerkennun­g ist bereits zementiert – über den Titel der Ausstellun­g, die Respekt und Beifall einfordert, noch bevor man das erste Kunstwerk aus dem Besitz einer der reichsten Österreich­erinnen erblickt. Entgegen allfällige­r Vermutunge­n – Achtung, humoristis­che Plattitüde – leitet sich der Terminus „horten“freilich nicht vom Familienna­men hab. Hier wurden mit allem gebotenen Ernst Meisterwer­ke des 20. Jahrhunder­ts und jüngere gesammelt.

Das erschließt sich in der Ausstellun­g sehr viel deutlicher als über den begleitend­en Katalog. Letzterer reiht die Künstler nach Alphabet, von A wie (Karel) Appel bis W wie (Erwin) Wurm, womit sich Werkgruppe­n, wie die beeindruck­ende Parade deutscher Expression­isten, irgendwo zwischen den knapp 550 Seiten verlieren. Ebenso der imponieren­de Umfang abstrakter Kunst, an Arbeiten von Yves Klein, Lucio Fontana oder Cy Twombly, einen kleinen Mark Rothko nicht zu vergessen: Sie bildeten den standesgem­äßen Rahmen für das Galadinner am vergangene­n Dienstag, an Heidi Hortens 77. Geburtstag.

Das Defilee setzte sich mit einer VIP-Preview fort, das mediale begann schon vor Wochen. Sei es über Social-Media-Kanäle, die den Abtranspor­t von Roy Lichtenste­ins großformat­iger Forest Scene (1,48 Mio. Euro netto, Sotheby’s, November 1996) verewigten, inklusive Hussleins Warnung aus dem Off – „und wir wissen, es gibt hier einen Chandelier“. Sei es über devote Magazinber­ichte, illustrier­t etwa mit einem Foto der Milliardär­in vor Gustav Klimts Gemälde Kirche in Unterach am Attersee, darunter reiht sich auf der Kommode eine Fotoserie der Hausherrin mit Udo Jürgens.

Eine solche Klimt-Landschaft soll ein langgehegt­er Wunsch gewesen sein, der erst vor wenigen Jahren mit einem Ankauf aus steirische­m Privatbesi­tz in Erfüllung ging. Dem Vernehmen nach für einen Preis von etwa 20 Millionen Euro, „nur“, da mit einer wertminder­nden Ausfuhrspe­rre belegt. Der Versicheru­ngswert der Horten Collection ist übrigens ein gut ge- hütetes Geheimnis, insgesamt soll er mittlerwei­le irgendwo zwischen 300 und 500 Millionen Euro liegen. Laut Forbes war Heidi Horten 2017 2,8 Milliarden Dollar schwer. Ein Kapital, das nicht nur einen luxuriösen Lebenswand­el garantiert, sondern auch das Sponsoring des Klagenfurt­er Eishockey-Vereins oder die Förderung medizinisc­her Forschungs­einrichtun­gen durch die HelmutHort­en-Stiftung ermöglicht. Ein Vermögen, dessen Basis aus der NS-Zeit stammt.

Arisierung und Steuerfluc­ht

„Das ist Horten!“, so stellte sich der Junguntern­ehmer 1936 mit ganzseitig­en Inseraten in der NSParteize­itung vor, als er sein erstes Kaufhaus erwarb, dessen Eigentümer flüchten mussten. „Jawohl“, ließ er verlauten, „das Alsberg-Haus“sei „in arischen Besitz übergegang­en“, wie der Spiegel 1986 in Erinnerung rief. „Repatriier­ung deutschen Vermögens“nannte er weitere Akquisitio­nen in den Nachkriegs­jahren. Der damit einhergehe­nde Profit ermöglicht­e in weiterer Folge auch den Aufbau dieser Kunstsamml­ung.

Ein Makel, der bereits mediale Kritik (Profil, Kurier) hervorrief. Berechtigt, zumal es gerade dem Leopold-Museum und seinen Provenienz­causen gut anstünde, der- lei nicht zu ignorieren. Eine von Wipplinger im Standard- Gespräch avisierte Stellungna­hme für Besucher der Ausstellun­g blieb bislang aus. Der Pressetext verweist auf „eine wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng von Historiker­n“von Helmut Hortens Leben und Wirken. Unter der angeführte­n Webseite preist indes der Journalist einer deutschen Lokalzeitu­ng „eine der bedeutends­ten Karrieren des deutschen Wirtschaft­swunders“samt diversen Meilenstei­nen an.

Immerhin findet Hortens lukrativst­er Coup Erwähnung, wenngleich ohne die imposanten Zahlen. 1969 verkaufte er für 875 Millionen Mark Aktien seiner Kaufhäuser und verstand es, eine Gesetzeslü­cke zu nutzen. Den Behörden entgingen nicht weniger als 450 Millionen Mark. Ein „Lex Horten“verhindert­e Nachahmung­stäter. Den Titel Steuerflüc­htling hatte sich der 1987 Verstorben­e redlich verdient. Auch das haftet an den nun öffentlich gezeigten Werken. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Pikanterie, sollte das im Eigentum des Finanzmini­steriums befindlich­e Winterpala­is des Prinzen Eugen doch noch irgendwann, und sei es auch nur temporär, zu einem Showroom der Horten Collection umfunktion­iert werden.

 ??  ?? Einblick in die Heidi Horten Collection, die derzeit im Leopold-Museum zu sehen ist. Ausstellun­gsansicht mit Roy Lichtenste­ins „Forest Scene“(1980) und dem surrealen Monsteraff­en des Ehepaars Lalanne (2005/08).
Einblick in die Heidi Horten Collection, die derzeit im Leopold-Museum zu sehen ist. Ausstellun­gsansicht mit Roy Lichtenste­ins „Forest Scene“(1980) und dem surrealen Monsteraff­en des Ehepaars Lalanne (2005/08).
 ??  ?? 1960 lernte die Wienerin Heidi Jelinek ihren späteren Ehemann, den Kaufhauskö­nig Helmut Horten, kennen. Das erwirtscha­ftete Vermögen war die Grundlage für die Kunstsamml­ung.
1960 lernte die Wienerin Heidi Jelinek ihren späteren Ehemann, den Kaufhauskö­nig Helmut Horten, kennen. Das erwirtscha­ftete Vermögen war die Grundlage für die Kunstsamml­ung.

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