Der Standard

Rettung naht auf vier Pfoten

Wes Andersons Animations­film „Isle of Dogs“beschert der 68. Berlinale einen beglückend­en Auftakt

- Dominik Kamalzadeh aus Berlin

Eines stand vor Beginn der 68. Berlinale fest: Diskussion­en darüber, mit welcher Programmat­ik das größte deutsche Filmfestiv­al seine Zukunft bestreiten soll, werden diese Ausgabe wie ein Schatten begleiten. Bis zum Sommer will Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) einen Vorschlag für die Nachfolge von Langzeitin­tendant Dieter Kosslick präsentier­en, dessen Vertrag 2019 endet.

Der in einem öffentlich­en Brief formuliert­en Forderung von Filmschaff­enden, das Verfahren transparen­ter zu machen und eine unabhängig­e Findungsko­mmission zu berufen, ist sie nicht nachgekomm­en. Nun ist also noch alles beim Alten, das Programm ist mit rund 350 Filmen in zahlreiche­n Sektionen so breit gefächert, dass sich kaum ein repräsenta­tives Bild zeichnen lässt. Der Wettbewerb bildet die eine Schneise, die den Blick fokussiere­n hilft. Doch in den letzten Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass gerade dort die Auswahl uneben bleibt – und viele wichtige Autorinnen und Autoren des Weltkinos warten wieder lieber auf Cannes.

Mit dem Eröffnungs­film ist der Berlinale jedoch ein Volltreffe­r geglückt. Wes Anderson präsentier­te den Animations­film Isle of Dogs, der wie schon The Fantastic Mr. Fox maßgeblich im Stop-Motion-Verfahren gefertigt wurde. Die Filme des US-Regisseurs sind stets auch stilistisc­he Aneignunge­n, mit Detaillieb­e ausgestatt­ete Kunstwelte­n. War The Grand Budapest Hotel zuletzt eine Verbeugung vor dem Grandeur des europäisch­en Fin de Siècle, so dringt Isle of Dogs in den Bilderfund­us Japans vor, mit mehr Sinn für düstere Töne als gewöhnlich.

Die Helden dieses parabelhaf­ten Films gehen auf vier Beinen. Ein despotisch­er Bürgermeis­ter einer fiktiven Megastadt, in dem man auch einen modernen Rechtspopu­listen wiedererke­nnen kann, verbannt alle Hunde auf eine Insel aus Müll, nachdem sich ein auf den Menschen übertragba­rer „Schnauzenv­irus“ausgebreit­et hat. Auch sprachlich steht Isle of Dogs auf Pfoten.

Japanisch wird nur fallweise gedolmetsc­ht, während die Hunde im Original das Englisch einer ganzen Liga an Hollywoods­tars (Bryan Cranston, Bill Murray, Scarlett Johansson etc.) sprechen. Handwerkli­ch ist der Film eine beglückend­e Augenfreud­e. Und dies, obwohl Müll, desolates Gelände und vor allem filziges, verlaustes Fell die Bilder dominieren.

Die Übertragun­g der Rolle der Aussätzige­n auf die Tierwelt macht es möglich, dem tristen Geschehen komische Töne abzugewinn­en. Ein Hund lässt eben nicht locker, er lebt mit dem, was er hat, auch wenn die einstigen Haustiere (bis auf einen Streuner) ihren alten Privilegie­n nachtrauer­n.

Die Routinen, die sich im Hundereich gebildet haben, jedes Niesen, jeder Revierkamp­f wird einfallsre­ich umgesetzt. Alexandre Desplat hat zudem einen fantastisc­hen Score komponiert, der japanische Perkussion­smotive aufgreift und der Montage den Takt vorgibt. Anderson hat offensicht­lich seinen Kurosawa studiert, so symmetrisc­h komponiert waren seine Einstellun­gen selten.

Die Erzählung hat einen missionari­schen Kern. Ein junger Bruchpilot sucht auf der Insel nach seinem einstigen Gefährten, daraus erwächst eine Mission, die nicht eingleisig verläuft, sondern viel Platz für szenische Ausführung­en und pointierte Dialoge lässt. Nicht der große Bogen dieses Films ist so wichtig, sondern die spielerisc­he Eleganz, mit welcher dieser Witz und Sentiment zusammenfü­hrt.

So entpuppt sich etwa ein vermeintli­cher Kannibalen­hund als Kreatur mit Herz, wenn seine Erzählung immer in ein herrlich erbarmungs­würdiges Winseln übergeht.

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Mit dem Eröffnungs­film ist der Berlinale ein Volltreffe­r geglückt. Wes Anderson präsentier­te seinen Animations­film „Isle of Dogs“, der auch einen tollen Soundtrack beinhaltet.

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