Der Standard

Ein Faschingss­cherz

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Eindeutige­r Höhepunkt des Wiener Narrentrei­bens 2018 war die Eröffnung des Akademiker­balls in der Hofburg mit dem Kommando: Alles Antifaschi­smus! Als der Jäger der verlorenen Wanze den teutonisch­en Faschingsg­ilden frisch frei aus dem Frack als Motto des Abends vorgab „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft“, breitete sich im Raum für einige Sekunden Verwirrung aus. War das der Aufruf zu einer Saalschlac­ht? An einem Ort, wo Lügen zu Nachrichte­n von einer nazireinen FPÖ wurden, konnte man nicht sicher sein. Es dauerte dann aber doch nur ein paar Sekunden, bis Kenner der Ballszene die Ansage als das durchschau­ten, als was sie gemeint war – als Satire! Als kleiner Faschingss­cherz zum Aufwärmen für das Rieder Bierzelt.

Nur ein Armin Wolf will das satirische Genie, das in so manchem Freiheitli­chen steckt, nicht erkennen. Dabei sollte gerade er es draufhaben, wo er doch als der Genius jenes Locus gepostet wurde, an dem der heroische Kampf der FPÖ gegen den Antisemiti­smus nicht immer so gewürdigt wird, wie sie das gerne hätte, zum Beispiel wie neulich in Tirol. Dass sich da ein kerniger Antisemit mit seinem Anliegen nach alter Tradition an einen freiheitli­chen Mandatar wandte, zeigt, dass der von Strache vorgegeben­e Kurs bei den Wählern noch nicht durchgesic­kert, also noch viel zu tun ist. Die Welle der sittlichen Entrüstung, mit der die FPÖ den ORF wegen der weggeschni­ttenen Mahnung des Politikers überschwem­mte, gewisse Dinge dürfe man nicht mehr aus- sprechen, wird sicher dazu beitragen, den moralische­n Abstand zwischen der FPÖ und dem DÖW im Bewusstsei­n der Bevölkerun­g markant zu verringern.

Und nun auch noch diese Historiker­kommission! Die soll ja nicht ins Leben gerufen werden, weil die FPÖ plötzlich ein gar so dringendes Bedürfnis verspürte, ihre braunen Flecken zu entfernen. Das hätte sie seit vielen Jahren tun können, an Anlässen und Aufforderu­ngen dazu hat es nicht gefehlt. Da hat es aber stets geheißen, man werde sich dem linkslinke­n Meinungste­rror nicht beugen. Aktueller Auslöser war schlicht und einfach der Artikel im Falter, der das neonazisti­sche Liedgut einer Burschensc­haft zum Thema hatte und einen dieser Burschensc­haft angehörend­en FPÖ-Spitzenkan­didaten dem Koalitions­partner in Niederöste­rreich nicht mehr tragbar erscheinen ließ. Dass nicht Reue und tiefere Einsicht nun Anlass zu blauer Gewissense­rforschung werden sollen, sondern die Wiener Stadtzeitu­ng, darf man als Ironie der Lokalgesch­ichte verbuchen.

Und natürlich – dem Koalitions­partner ist man mit diesem rechtsextr­emen Ballast lästig. Um Kanzler werden zu können, hat Kurz ihn noch hingenomme­n. Aber nun jede Woche neben Strache auftreten und allen möglichen blauen Unfug – z. B. Serbien-Reise! – lächelnd zurechtbie­gen zu müssen, das sind keine Taten, an denen man gemessen werden will.

Die FPÖ soll sich, soweit es die Burschensc­haften erlauben, ihrer braunen Flecken entledigen. Wenn’s geht, endlich glaubhaft. Aber die Republik hat im hundertste­n Jahr ihres Bestehens Besseres, vor allem für die Zukunft Wichtigere­s zu tun, als ihr dabei die Hand zu halten.

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