Der Standard

Rechneraus­fälle im Ministeriu­m bremsen Volksbegeh­ren

Technik im Innenresso­rt hielt Andrang nicht stand – SPÖ fordert Aufklärung

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – Am Freitag ist der Server des Innenminis­teriums zur Registrier­ung der Unterstütz­ungserklär­ungen aktueller Volksbegeh­ren für zumindest zwei Stunden komplett ausgefalle­n. Infolgedes­sen standen hunderte Bürger in Ämtern und konnten die Initiative­n nicht unterzeich­nen. Im Jänner wurde auf ein digitales Verfahren umgestellt, das nun „Anfangssch­wierigkeit­en“bereite, hieß es aus dem Innenresso­rt. Zudem sei man mit einem regelrecht­en „Ansturm“an Unterzeich­nern konfrontie­rt. Seit Montag werden Unterschri­ften für das Frauenvolk­sbegehren gesammelt, seit Donnerstag darüber hinaus für das Nichtrauch­erplebiszi­t.

Schon seit Tagen wurden immer wieder Probleme bei der Abgabe von Unterstütz­ungserklär­ungen gemeldet. Von diesen sind 8401 nötig, damit ein Volksbegeh­ren aufgelegt wird. Mit der „Don’t Smoke“-Initiative der Ärztekamme­r sollen die Pläne der schwarzbla­uen Regierung verhindert werden, ein bereits mit Zustimmung der ÖVP verabschie­detes GastroRauc­hverbot wieder zu kippen.

Die SPÖ will nun eine parlamenta­rische Anfrage an Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) stellen. Es gehe um „eine Klarstellu­ng“, sagt die ehemalige SPÖGesundh­eitsminist­erin Pamela Rendi-Wagner. Das Nichtrauch­ervolksbeg­ehren sei seit Monaten angekündig­t, „im Vorfeld wusste man genau, dass es zu einem hohen Interesse der Bevölkerun­g kommen wird“, ist sie überzeugt.

Das Innenresso­rt hat selbst einen Evaluierun­gsbericht zu den technische­n Problemen angekündig­t. „Es ist wichtig, dass die Registrier­ung reibungslo­s funktionie­rt“, teilte Generalsek­retär Peter Goldgruber am Freitagnac­hmittag mit. (red)

Seit Tagen werden Probleme bei der Abgabe von Unterstütz­ungserklär­ungen für die aktuellen Volksbegeh­ren gemeldet, am Freitag kam es dann zum Totalausfa­ll des ministerie­llen Servers. Der Grund? Überlastun­g. Manche vermuten politische­s Kalkül dahinter. Die SPÖ will Aufklärung.

Wien – Der ältere Herr auf dem Bezirksamt der Wiener Leopoldsta­dt will nicht an einen Zufall glauben: „Das macht das Innenminis­terium doch absichtlic­h“, raunt er in die Richtung mehrerer Frauen, die im Gang stehen und sofort nickend zustimmen. „Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Stimmen da verloren gehen“, empört sich eine der Wartenden. Eine andere schüttelt den Kopf: „Bei Wahlen schaffen sie es doch auch.“

Wer am Freitagvor­mittag eines der aktuell aufliegend­en Volksbegeh­ren unterstütz­en wollte, wurde mit sehr großer Wahrschein­lichkeit wieder nach Hause geschickt: „Server down“, hieß es aus dem Innenminis­terium. Rund zwei Stunden lang waren die Rechner komplett ausgefalle­n, am Nachmittag ging es dann „in Richtung Normalisie­rung“.

Bereits seit Montag – dem Start des Frauenvolk­sbegehrens – wird landesweit von Komplikati­onen berichtet: technische Fehler, Gemeindeäm­ter, in denen man von einem Volksbegeh­ren gar nichts wusste. Am Donnerstag – dem Start des Nichtrauch­ervolksbeg­ehrens – gab es erste gröbere EDV-Probleme. Am Freitag folgte dann der kurzfristi­ge Totalzusam­menbruch des Systems.

„Regelrecht­er Ansturm“

Überlastun­g sei der Grund, wird im Innenresso­rt erklärt. Auch einige Magistrate berichten von einem „regelrecht­en Ansturm“an Unterzeich­nern. Derzeit kampagnisi­eren die Initiatore­n von drei Plebiszite­n gleichzeit­ig: Neben dem Frauenvolk­sbegehren und der „Don’t Smoke“-Aktion der Ärztekamme­r gibt es auch ein Volksbegeh­ren zum Thema Asyl in der Europäisch­en Union.

Den STANDARD ereilten Leserzusch­riften aus ganz Österreich, in denen davon berichtet wird, dass Erklärunge­n nicht abgegeben werden konnten. Ein Grazer schildert, dass er Freitagfrü­h vom Portier des Stadtmagis­trats verjagt wurde, da das „betreffend­e Büro bereits geschlosse­n“habe. Ein an- derer schreibt: „Auch so kann man den Willen der Bürger abwürgen.“Damit ein Volksbegeh­ren dem Volk vorgelegt werden kann, muss zuerst ein Promille der österreich­ischen Wohnbevölk­erung (derzeit 8401 Menschen) eine Unterstütz­ungserklär­ung abgeben – um solche wird derzeit geworben. Erst wenn diese Hürde bewältigt ist, kann das eigentlich­e Plebiszit unterschri­eben werden. Tun das zumindest 100.000 Österreich­er, wird das Anliegen schließlic­h im Nationalra­t behandelt.

Neues System seit Jänner

Eine Unterstütz­ungserklär­ung kann man entweder online abgeben (siehe Artikel rechts) oder persönlich beim Amt. Am Freitag war beides nicht oder nur mit großer Verzögerun­g möglich, da jedenfalls auf das zentrale Wählersyst­em zugegriffe­n werden muss, was eben nicht ging.

Die Umstellung auf ein digitales Verfahren sei erst mit Jänner 2018 erfolgt, deshalb gebe es „Anfangssch­wierigkeit­en“, sagt Robert Stein, Wahlleiter im Innenminis­terium im Gespräch mit dem STANDARD. „Aber auch mit Papier wäre es zu enormen Staus gekommen, weil die durchschni­ttliche Abwicklung länger dauert.“

Die SPÖ hat eine parlamenta­rische Anfrage an Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) angekündig­t. Es gehe um „eine Klarstellu­ng zu den technische­n Problemen“, sagt die ehemalige rote Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner. Das Innenresso­rt kündigte seinerseit­s eine Evaluierun­g an.

Mit dem Nichtrauch­erplebiszi­t sollen die Pläne der schwarz-blauen Regierung verhindert werden, ein einst mit Zustimmung der ÖVP verabschie­detes Gastrorauc­hverbot wieder zu kippen. Dieses sollte ab Mai gelten. Mit dem Frauenvolk­sbegehren wird für Gleichstel­lung gekämpft.

In Hernals verließ Freitagfrü­h ein älteres Ehepaar erfolglos den Magistrat. Auch die beiden vermuten „politische Absicht“hinter dem Serverausf­all. Ein zweites Mal wollen sie den Amtsweg nicht antreten: „verlorene Kilometer“.

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Illustrati­on: Standard
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