Der Standard

Der Autor und sein Dichter

Der US-Autor Joshua Cohen gastiert mit seinem Roman „Buch der Zahlen“am Montag im Salzburger Literaturh­aus.

- Gerhard Dorfi

Salzburg – Die religiöse Erziehung, die Joshua Cohen in seiner Kindheit durchlief, bestand aus dem Besuch der jüdischen Schule und dem Lesen der Thora. Dabei entwickelt­e der heute 37-jährige, in New Jersey lebende Autor religiöse Gefühle erst, als er mit dem Schreiben begann. Nun hat Cohen einen Roman verfasst, der sich mit einer neuen, zeitgemäße­n Religion beschäftig­t: der Technikglä­ubigkeit und dem Leben im Bannkreis der Binärcodes.

Buch der Zahlen (Schöffling-und-Co-Verlag, 2018) besteht aus viel Detailwiss­en zur Digitaltec­hnologie, aus Reflexione­n über die Kabbala, die eigene Familienge­schichte, über Buddhismus, Hinduismus, philosophi­sche Probleme, die Zahlenmyst­ik und den Holocaust. Rein formal enthält der 750 Seiten umfassende Roman so unterschie­dliche Textsorten wie E-Mails, Interviews, Tagebuchau­fzeichnung­en und Zitate – alles kunstvoll ineinander­montiert.

Lukrativer Auftrag

Einer der beiden Protagonis­ten von Buch der Zahlen heißt Joshua Cohen und ist ein gescheiter­ter Autor. Dieser Cohen hat alles verloren: seine Frau und den Buchladen, der seine bisherige Existenz gesichert hat. Da erhält Cohen einen lukrativen Auftrag: Er soll die Memoiren eines Mannes schreiben, des zweiten Protagonis­ten des Romans, der – wie der echte Autor und der Autor im Roman – ebenfalls Joshua Cohen heißt. Ansonsten ist dieser Internetmo­gul, der den Überwachun­gsalgorith­mus erfunden hat, aber das genaue Gegenteil des Dichters: Der Suchmaschi­nenmilliar­där und Datenhändl­er erscheint wie eine Mixtur aus den Si- licon-Valley-Steuermänn­ern Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg.

Natürlich geht es in Cohens Wälzer um den Kampf zweier Weltanscha­uungen: der digitalen Computerku­ltur gegen die Buch(druck)kultur, mit Papier, Stift und Signaturen. Eine Auseinande­rsetzung zwischen Wörtern und Zahlen, zwischen klassische­r Lite- raturprodu­ktion und digitaler Entkontext­ualisierun­g, die auch Einfluss auf Fragen zur Identität des Menschen und zur Wahrheit nach sich zieht.

Am Montag Lesung und Gespräch in deutscher und englischer Sprache. 19. 2., Salzburg, Literaturh­aus, 19.30 pwww. literaturh­aus

salzburg.at

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Sein 2015 erschienen­es Mammutwerk „Buch der Zahlen“liegt nun auf Deutsch vor. Joshua Cohen liest deshalb am Montag im Salzburger Literaturh­aus.

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