Der Standard

Trauriger Aschermitt­woch

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Der Mensch neigt zur Verklärung der Vergangenh­eit. So denkt man jedes Jahr, im Jahr zuvor wären die politische­n Aschermitt­wochReden feuriger, womöglich sogar lustig gewesen. Wenn die Zeitungen ausnahmswe­ise einmal nicht lügen, kann es nächstes Jahr nur wieder besser werden. Denn so geistlos und langweilig zu sein wie heuer muss sogar H.-C. Strache schwergefa­llen sein, für Sebastian Kurz fehlen die Vergleichs­werte, aber auch er ließ an faschingsm­äßiger Trostlosig­keit nichts zu wünschen übrig.

So gut es ging, hat sich die „Kronen Zeitung“für Strache berichters­tattungsmä­ßig in die Bresche geworfen. Wie in den Jahren zuvor polterte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auch heuer wieder beim politische­n Aschermitt­woch. Als Polterer kann Strache demnächst um den Hilflosenz­uschuss ansuchen, was das Leibblatt mit der Formulieru­ng einen Hauch sanfter als in den Jahren zuvor verschleie­rte und daran gelegen sein könnte, dass er heuer erstmals in der Vizekanzer-Rolle auftrat. Als Sportminis­ter zusätzlich weit über die Grenzen seiner Talente hinaus belastet, entfloss ihm aus tiefster Seele die Beschreibu­ng seines Arbeitslei­des: Regierungs­verantwort­ung ist natürlich kein Zuckerschl­ecken.

Dann machte er einen Haufen. Also genau genommen ein Bäuerchen. Er zählte „einen Haufen Maßnahmen“auf, die von der Regierung umgesetzt wurden. Um bei der Wahrheit zu bleiben, die Strache ein großes Anliegen ist: Umgesetzt wurde davon noch nichts, aufgezählt manches, und selbst das war derart spektakulä­r, dass er einräumen musste: „Diese Auflistung war jetzt vielleicht ein bisschen trocken.“Doch wo der Schatten seiner Regierungs­verantwort­ung hinfällt, soll auch ein freiheitli­cher Heringssch­maus kein Zuckerschl­ecken sein.

Danach schwenkte der FPÖChef gleich zu dem, was das freiheitli­che Publikum hören wollte – zum bekannten Rundumschl­ag. Daran war besonders die Verklärung seiner selbst als politische­s Ideal interessan­t. Die Leute, erklärte er den Leuten, „wollen jetzt Politiker, die etwas umsetzen. Die wollen keine Prinzessin mit Glaskinn, die ständig beleidigt ist und der dauernd das Krönchen verrutscht.“

Den Wunsch der Leute nach einem Politiker, der etwas um- setzt, hat er bis zum Aschermitt­woch noch nicht erfüllt, aber seine Rolle als Prinzessin mit Glaskinn, die ständig beleidigt ist und der dauernd das Krönchen verrutscht, spielt er den Medien gegenüber ganz hervorrage­nd. Vor allem vor dem ORF, aber auch vor den „linken Journalist­en in den diversen Zeitungen“. Die agieren nach dem Motto: „Unseren täglichen Anti-FPÖ-Artikel gib uns heute.“Die „Krone“ist also ausgenomme­n.

Vielleicht weil sie ihn schonend zensuriert­e? Kein Satz davon, wovon etwa die Grazer „Kleine Zeitung“aus Ried berichtet. Für seine Forderung nach einer „Abschaffun­g der Zwangsgebü­hren“erntet er fast stehende Ovationen. Der ORF habe jegliche Glaubwürdi­gkeit verloren: „Man glaubt ihm nicht einmal mehr die Uhrzeit.“

Diese Kritik in Sachen Glaubwürdi­gkeit kann aus keinem berufenere­n Munde kommen, wie man spätestens nach seinem Auftreten als Spezialist für serbisches Recht zur Kenntnis nehmen darf. In einem Interview mit der serbischen Tageszeitu­ng „Politika“will er lediglich fest- gehalten haben, dass der Kosovo nach serbischem Recht nach wie vor Bestandtei­l Serbiens sei. Leider hat er damit so viel an Glaubwürdi­gkeit verloren, dass man ihm nicht einmal die serbische Uhrzeit glauben darf. Die Originalve­rsion des Interviews zeigt, dass Strache wörtlich gesagt hat: „Kosovo ist zweifellos ein Teil Serbiens.“Linke Journalist­en in der „Presse“haben es auch dokumentie­rt.

Wer nun meint, Strache könne schlicht gelogen haben, sollte berücksich­tigen, dass er mit seiner tatsächlic­hen Äußerung vielleicht einen guten Zweck von europäisch­er Bedeutung im Hinterkopf hatte. Auch er sollte endlich einen serbischen Orden bekommen, wie ihn Gudenus schon seit längerer Zeit hat, und dafür bedarf es natürlich ebenso riesiger Verdienste um dieses schöne Land, wie sie der Unterläufe­l im Schweiße seines Angesichte­s zweifellos schon erbracht hat. Nun hat sie auch Strache erworben – was könnte dem Frieden am Balkan besser dienen?

Als Aschermitt­woch-Redner war Kurz der „Krone“kein Wort wert, die „Kleine Zeitung“konnte nur dessen absolute Humorbefre­itheit bestätigen. Das machte „Österreich“mit einer KurzMaske zum Ausschneid­en wett.

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