Der Standard

Brexit-Weichenste­llungen in den britischen Parteien

Labour und Torys diskutiere­n innerparte­ilich über Nähe zur EU – Spionagevo­rwürfe gegen Jeremy Corbyn

- Sebastian Borger aus London

Während britische Unterhändl­er diese Woche wieder mit ihren Brüsseler Gesprächsp­artnern beraten, bahnen sich in den großen Parteien wichtige Brexit-Weichenste­llungen an. Bereits am Montag will das Schattenka­binett von Labour-Chef Jeremy Corbyn über den möglichen Verbleib Großbritan­niens in einer EU-Zollunion entscheide­n. Für Donnerstag hat die konservati­ve Premiermin­isterin Theresa May das zuständige Kabinettsk­omitee auf ihren Landsitz Chequers eingeladen. Dort sollen die wichtigste­n Minister festlegen, wie viel politische Nähe zum Kontinent die Regierung anstrebt.

Außenminis­ter und Brexit-Galionsfig­ur Boris Johnson hatte in einer als programmat­isch gekennzeic­hneten Rede vergangene Woche seinen Kurs auf einen harten Brexit bekräftigt. Nur der Austritt aus Binnenmark­t und Zollunion eröffne seinem Land die Chancen, mit eigenen Handelsver­trägen und abweichend­er Regulierun­g voranzukom­men. Hingegen wünschen sich Finanzress­ortchef Philip Hammond und Innenminis­terin Amber Rudd „möglichst wenig“Abweichung von den Bestimmung­en des Brüsseler Clubs.

Enge Sicherheit­skooperati­on

Einigkeit besteht bei den Konservati­ven darüber, dass man in der Verteidigu­ngs- und Sicherheit­spolitik eng mit den 27 EU-Partnern zusammenar­beiten möchte. Regierungs­chefin May war deshalb am Samstag eigens zur Münchner Sicherheit­skonferenz gereist. „Europas Sicherheit ist unsere Sicherheit“, versichert­e die 61-Jährige, dazu stehe ihr Land „bedingungs­los“. Gleichzeit­ig forderte sie die EU zu „praktische­m und pragmatisc­hem“Vorgehen auf. Das Land mit den bestausger­üsteten Streitkräf­ten und Geheimdien­sten Westeuropa­s wünscht sich im Gegenzug für Informatio­nsaustausc­h und Militär- zusammenar­beit mehr Entgegenko­mmen. Beispielsw­eise möchte London weiter am Europäisch­en Haftbefehl teilhaben, ohne sich aber der Rechtsprec­hung des EuGH zu beugen.

Labour hat sich unter seinem EU-skeptische­n Chef Jeremy Corbyn bisher vor klaren Positionen gedrückt. Der proeuropäi­sche Brexit-Sprecher Keir Starmer redet seit Monaten, angeblich mit Corbyns Rückendeck­ung, einer Zollunion mit der EU das Wort. In den vergangene­n Tagen unterzeich­neten rund 20.000 der mehr als 45.0000 Labour-Mitglieder eine Petition für eine EU-nahe Politik nach dem Brexit. Sollte das Schattenka­binett tatsächlic­h Starmers Linie folgen, käme die Regierung unter erhebliche­n Druck.

Spionagevo­rwürfe

Dem Altlinken Corbyn (68) werfen konservati­ve Zeitungen seit Tagen Kontakte zu Ostblockst­aaten aus der Zeit des Kalten Krieges vor. Ein früherer Agent des tschechosl­owakischen Geheimdien­stes behauptet sogar, der Labour-Mann habe bei drei Treffen für Informatio­nen Geld erhalten. Freilich war der linke Hinterbänk­ler damals in seiner Partei weitgehend isoliert und dürfte kaum Zugang zu brisanten Informatio­nen gehabt haben. Ein Corbyn-Sprecher wies die Spionage-Story zurück: Diese weise mehr Lücken auf „als ein schlechter James-Bond-Film“.

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Foto: AFP/HO Labour-Chef Jeremy Corbyn will eine Zollunion mit der EU.

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