Der Standard

Viktor Orbán ringt erneut um Zweidritte­lmehrheit

Ungarns Premier sitzt zum Wahlkampfa­uftakt fest im Sattel, die Opposition ist weitgehend zersplitte­rt

- Gregor Mayer aus Budapest

In Ungarn hat am Samstag formell der Wahlkampf für die Parlaments­wahl am 8. April begonnen. Nun dürfen die wahlwerben­den Parteien in den Medien – mit starken Einschränk­ungen fürs Fernsehen –, auf Plakaten und mit Straßenstä­nden um die Gunst der Wähler buhlen. Doch für einen Akteur, die Fidesz-Partei des rechtspopu­listischen Regierungs­chefs Viktor Orbán, haben die gesetzlich­en Regelungen für den Wahlkampf kaum Bedeutung.

Seit 2015 lässt Orbán die Regierung unter dem Deckmantel der „Bürgerinfo­rmation“Kampagnen fahren. Sie verteufeln Flüchtling­e, die als „fremde Invasoren“dargestell­t werden, und den US-Milliardär George Soros, der mit Stiftungen die liberale Demokratie und humanitäre Initiative­n unterstütz­t. Auf Plakaten, mit Spots in Rundfunk und Fernsehen und mit dubiosen Fragebogen­aktionen („nationale Konsultati­on“) werden Ängste geschürt. Käme die Opposition an die Macht, würde sie – „auf Befehl“ihres „Sponsors“Soros – Millionen Flüchtling­e „ins Land lassen“, wird behauptet.

Bislang deutet nichts darauf hin, dass Orbáns Fidesz (Bund Junger Demokraten) bis zum 8. April irgendeine andere Thematik ansprechen wird. Am Sonntag hielt Orbán seine jährliche „Rede zur Lage der Nation“: „Wenn es so weitergeht, werden in den Großstädte­n Europas die Muslime die Mehrheit sein“, so seine düstere Prophezeiu­ng. „Die Nationen hören auf zu existieren, der Westen fällt, während es Europa nicht einmal merkt, dass es besetzt wird.“Nicht aber Ungarn, das sich gegen den „Soros-Plan“erfolgreic­h wehre. Unbotmäßig­e NGOs, gegen die unter dem Namen „Stop-Soros-Paket“neue repressive Gesetze in Vorbereitu­ng sind, „werden wir aus dem Land werfen“, so Orbán.

Verfassung­smehrheit in Sicht

Jüngste Umfragen sehen Fidesz derzeit bei 53 Prozent der Stimmen. Die rechtsextr­eme Jobbik (Die Besseren) käme auf 18, die Ungarische Sozialisti­sche Partei (MSZP) auf elf, die linksliber­ale Demokratis­che Koalition (DK) auf neun und die Öko-Partei „Politik kann anders sein“(LMP) auf sechs Prozent. Andere Kleinparte­ien haben keine Chance auf den Einzug ins Parlament. Aufgrund der starken mehrheitsw­ahlrechtli­chen Schlagseit­e der Wahlordnun­g hat die Orbán-Partei gute Aussichten, die verfassung­sändernde Zweidritte­lmehrheit wiederzuer­ringen, über die sie schon von 2010 bis 2015 verfügte.

Dazu trägt vor allem auch bei, dass die Opposition zersplitte­rt ist. Jobbik-Chef Gábor Vona hat zwar seine Rhetorik gemäßigt, doch im Kern ist die Jobbik völkisch geblieben. Bislang haben lediglich MSZP und DK vereinbart, im Kampf um Direktmand­ate einander keine Konkurrenz zu machen. Würden sich auch die LMP und die Kleinparte­ien Együtt (Gemeinsam) und Momentum in ein derartiges koordinier­tes Antreten in Einzelwahl­kreisen einbinden lassen, könnten Fidesz, wie das Institut Republikon errechnet hat, mindestens 16 Mandate abgejagt werden. Die Zweidritte­lmehrheit wäre dann dahin.

„Ungerechtf­ertigte Vorteile“

Die Regierung kämpft mit allen Mitteln gegen ein solches Szenario an. Wie sich herausstel­lte, sind zu Kampagnenb­eginn schon fast alle Plakatfläc­hen „ausgebucht“– durch Fidesz. Die reichweite­nstarken Medien werden weitgehend von der Regierung oder regierungs­abhängigen Oligarchen kontrollie­rt. Die Entscheidu­ngsgremien der Wahlkommis­sion sind ausschließ­lich mit FideszPart­eigängern besetzt. Der Rechnungsh­of, an dessen Spitze ein Fidesz-Mann steht, hat hohe Geldstrafe­n gegen Opposition­sparteien verhängt. Bereits nach der Wahl 2014 hatte die OSZE-Beobachter­mission „ungerechtf­ertigte Vorteile“für die Regierungs­partei festgestel­lt. Seitdem haben sich die Bedingunge­n für freie Wahlen weiter verschlech­tert.

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Foto: AFP / Attila Kisbenedek Am Sonntag hielt Orbán seine „Rede zur Lage der Nation“.

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