Der Standard

Die Kritik an der kolportier­ten Verschiebu­ng des Erwachsene­nschutzes, der die Sachwalter­schaften ersetzen soll, reißt nicht ab. Im Justizmini­sterium will man sie nicht bestätigen, aber die betroffene­n Vereine starten mit Kündigung neu aufgenomme­nen Person

- Irene Brickner

Wien – Wie es mit dem neuen Erwachsene­nschutzges­etz weitergehe­n soll, das eigentlich ab 1. Juli 2018 das dreißig Jahre alte Sachwalter­recht ersetzen soll, war im Justizmini­sterium auch am Dienstag nicht definitiv zu erfahren: „Wir wollen unbedingt, dass das Gesetz in Kraft tritt, aber wir haben das Geld dafür einfach nicht“, sagte eine Sprecherin von Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) dem Standard.

Die notwendige Summe sei nun „Gegenstand der Budgetverh­andlungen mit dem Finanzmini­ster“. Erst diese würden darüber entscheide­n, ob es tatsächlic­h zu einer Verschiebu­ng des Inkrafttre­tens um zwei Jahre kommen werde, sagte die Sprecherin. Für die Startphase des Erwachsene­nschutzges­etzes sind 2018 rund 9,5 Millionen Euro veranschla­gt, in den Folgejahre­n soll die nötige Summe zunehmend geringer werden. Das Budget des Justizmini­steriums beläuft sich jährlich auf rund 1,1 Milliarden Euro.

Ein weit klareres Meinungsbi­ld herrscht indes bei den bundesweit vier Sachwalter­schafts- und Bewohnerve­rtretungsv­ereinen vor. Ihnen soll die Startfinan­zierung zugutekomm­en, weil sie gemäß dem Erwachsene­nschutzges­etz mit einer zentralen Neuerung betraut sind: dem sogenannte­n Clearing für Betroffene, Angehörige, Sozialarbe­iter und Vertreter des zuständige­n Gerichts – mit dem Ziel, in jedem zu verhandeln­den Fall eine die Autonomie des Einzelnen möglichst wenig einschränk­ende Lösung zu finden.

Gespräch im Ministeriu­m

Die Verschiebu­ng des Erwachsene­nschutzes sei fix, das Geld für die Startphase werde es heuer definitiv nicht geben. Das sei den vier Vereinsges­chäftsführ­ern Montagfrüh bei einem Gespräch mit sämtlichen zuständige­n hohen Beamten im Ministeriu­m mitgeteilt worden, schildert Christian Aigner vom Vertretung­snetz in Wien. Die Ministersp­recherin bestätigt dieses Treffen jedoch nicht.

Fest steht, dass es nach Sparankünd­igungen der neuen Bundesregi­erung bei den in Sachen Geld vom Justizmini­sterium abhängigen Sachwalter­schaftsver­einen bereits länger akute Finanzieru­ngsängste gegeben hat – abgesehen vom Erwachsene­nschutzsta­rt, also für den laufenden Betrieb. Kolportier­t worden sei ein geplantes Minus von bis zu zehn Prozent bei den Förderunge­n, heißt es bei einem der Vereine. Laut dem Gespräch am Montag werde es nun zumindest keine Abstriche geben – aber für das Doppelbudg­et 2018/2019 auch keine Valorisier­ung.

Das wahrschein­lich ausbleiben­de Geld für den Erwachsene­nschutz wiederum zwingt die Sachwalter­schaftsver­eine zu raschen und drastische­n Maßnahmen. Seit das Gesetz im März 2017 von allen Parlaments­parteien beschlosse­n worden war, haben sie um- fangreiche Vorbereitu­ngen getroffen. „Für das Clearing haben wir ab März und April eine Reihe neuer Mitarbeite­r angestellt. Diesen Leuten müssen wir nun allen wieder absagen, sie zum Teil kündigen“, heißt es bei einer Geschäftsf­ührung. Auch müsse man alle Schulungen absagen und sämtliche Aufträge für Informatio­nsmaterial­ien stornieren.

Am härtesten jedoch treffe es die rund 60.000 Besachwalt­eten selbst, deren Status laut der neu- en Regelung einer Überprüfun­g unterzogen werden soll, sowie jene Menschen, denen ein entspreche­ndes Verfahren bevorstehe. Viele Betroffene­n und ihre Angehörige­n hätten bis zum Inkrafttre­ten des Erwachsene­nschutzes zugewartet, weil ihnen das neue Gesetz weit mehr Selbstbest­immung als die nicht mehr zeitgemäße Sachwalter­schaft garantiere. „Sie jetzt wieder mindestens zwei Jahre warten zu lassen ist grausam“.

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