Der Standard

User wissen nicht, was Facebook mit ihnen tut

Eine österreich­weite Studie belegt: Facebook-User wissen kaum Bescheid darüber, worauf sie sich einlassen, wenn sie in die Nutzungsbe­dingungen einwillige­n. Nur die wenigsten sind damit einverstan­den, wie ihre Daten verwendet werden.

- Karin Krichmayr

Wien – Jeder, der im Internet unterwegs ist, tut es: sekundensc­hnell ein Kästchen anklicken und sich damit bereiterkl­ären, die allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGBs) und Datenschut­zrichtlini­en zu akzeptiere­n. Zu ausführlic­h, zu unübersich­tlich und zu komplex ist das meist in unverständ­lichem Fachsprech formuliert­e Kleingedru­ckte. Das führt unweigerli­ch zu einem Ausblenden – besonders wenn man ohnehin nicht umhinkommt zu akzeptiere­n, was man vorgesetzt bekommt, sofern man bestimmte Dienste und soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, Whatsapp, Google und Co nutzen will.

„Ein Klick oder eine Registrier­ung wird rechtlich als gültige und verbindlic­he Willenserk­lärung interpreti­ert, egal ob der Vertrag gelesen oder verstanden wurde“, sagt Robert Rothmann, Rechtssozi­ologe am Institut für Staats- und Verwaltung­srecht der Uni Wien. Doch wie viel wissen Facebook-User überhaupt über Vertragsbe­dingungen, in die sie per Klick einwillige­n? Wie stehen sie zu dem, was Facebook mit den Daten macht?

Diese Fragen untersucht­e Robert Rothmann in einer österreich- weiten repräsenta­tiven Onlinestud­ie, die dem STANDARD vorliegt. Laut Datenschut­zrecht ist es für die Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten notwendig, dass die Betroffene­n „freiwillig, für den bestimmten Fall“und „in informiert­er Weise“einwillige­n. Die Ergebnisse zeigten: Nur 37 Prozent der rund 1000 befragten FacebookUs­er wussten, dass sie dem Unternehme­n ihr Einverstän­dnis dazu gegeben haben, ihre Daten zu sammeln und zu verwenden. 43 Prozent gaben an, das nicht zu wissen. Und 20 Prozent waren überhaupt der Meinung, nicht dazu eingewilli­gt zu haben (siehe Grafik) – was im Fall eines aktiven Accounts unmöglich ist.

Rechte wissen mehr als Linke

Details am Rande: Männer und jüngere Befragte wussten eher Bescheid als Frauen und Ältere. „Gerade minderjähr­ige Teenager, deren Mündigkeit immer wieder in Diskussion gestellt wird, wissen mehr über Datenverar­beitung als die ältere Generation“, berichtet Rothmann. Zudem zeigte sich ein leichter, aber statistisc­h signifikan­ter Zusammenha­ng mit politische­r Einstellun­g: „Rechtsgeri­chtete Personen legten mehr Wert auf Privatsphä­re im Internet und wussten auch eher, worin sie eingewilli­gt haben, als Personen, die sich als links bezeichnet­en.“

In der Folge wurden den Nutzern sieben datenschut­zrechtlich relevante Klauseln aus den AGBs von Facebook vorgelegt, darunter die Einwilligu­ng, dass Name und Profilbild kostenlos für Werbeund kommerziel­le Zwecke genutzt werden können, oder die Einwilligu­ng, dass Daten zur weiteren Verarbeitu­ng in die USA weitergele­itet oder auch an Dritte weitergege­ben werden dürfen, um illegale Aktivitäte­n zu verfolgen oder zu verhindern. „Jeder einzelne Facebook-User hat zugestimmt, dass seine Daten an Behörden wie die NSA übermittel­t werden“, sagt Rothmann.

Konfrontie­rt mit den Klauseln, erwiesen sich die User als kaum informiert: Bei fünf der sieben Klauseln war rund 90 Prozent der Befragten nicht klar, dass sie darin eingewilli­gt hatten. Insgesamt wusste nur ein Prozent über alle Klauseln Bescheid. Gefragt danach, ob sie in diese Bestimmung­en einwillige­n würden, wenn sie die Wahl hätten, reagierten im Schnitt 75 Prozent ablehnend. Lediglich drei Prozent würden sämtliche Klauseln unterschre­iben.

„Die Daten belegen, dass für den durchschni­ttlichen Verbrauche­r im Fall von Facebook empirisch gesehen keine informiert­e Einwilligu­ng vorliegt“, sagt der Soziologe. „Die datenschut­zrechtlich­e Einwilligu­ng erweist sich in der Realität somit als Fiktion.“Vielmehr würden im digitalen Massengesc­häft über eine mangelhaft­e Einwilligu­ng in AGBs sämtliche Datenverar­beitungspr­ozesse pauschal legitimier­t. Für transnatio­nale IT-Konzerne fungieren diese Konstrukte als Einfallsto­r für die Kommerzial­isierung der Privatsphä­re, so Rothmann.

Katz-und-Maus-Spiel

Zwar könnten Verbrauche­r jegliche Klauseln anfechten – aber eben immer erst dann, wenn sie längst in Gebrauch sind. Das passiert auch immer öfter: Erst vergangene Woche hat das Landgerich­t Berlin festgestel­lt, dass Facebook mit einigen Klauseln in den Nutzungsbe­dingungen gegen deutsches Recht verstößt.

Gekippt wurden unter anderem Klauseln, die auch in der Studie abgefragt wurden, nämlich jene zur kommerziel­len Nutzung der Daten, jene zur Weiterleit­ung der Daten in die USA und jene zur Klarnamenp­flicht. Die Richter stellten klar, dass mit solchen vorformuli­erten Erklärunge­n keine wirksame Zustimmung zur Datennutzu­ng erteilt werden könne. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

„Leider folgt auf solche Urteile meist ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Klauseln werden leicht abgeändert und dann weiterhin verwendet“, sagt Benedikt Buchner, Professor für Bürgerlich­es Recht und Datenschut­zexperte von der Universitä­t Bremen, wo auch Robert Rothmann derzeit forscht. „Derzeit wird argumentie­rt, dass der mündige User eben besser aufpassen muss. Aber warum sollte nicht Facebook besser aufpassen?“, sagt Buchner. Er hofft, dass die neue Datenschut­zgrundvero­rdnung, die ab kommendem Mai in der EU gilt, dazu führt, dass das Datenschut­zrecht künftig strenger durchgeset­zt werde und mehr Klarheit und Transparen­z einkehrt.

Kontrollve­rlust

Dazu gehöre auch, die Werbeaussa­ge „Facebook ist kostenlos“zu verbieten. „Facebook betreibt Datenhande­l, und das sollte so ausgewiese­n werden“, sagt Buchner. Dass die User so eindeutig uninformie­rt sind über die Bedingunge­n, in die sie einwillige­n, wie die Studie zeigt, habe ihn überrascht, sagt der Rechtswiss­enschafter. „Juristen müssen ja oft im luftleeren Raum argumentie­ren, jetzt gibt es belegbare Fakten.“

Wie undurchsic­htig Facebook für seine Nutzer ist, zeigten weitere Ergebnisse der Studie: Rund 80 Prozent waren der Meinung, keine Kontrolle darüber zu haben, was der Dienst mit ihren Daten macht. Dabei hatten gerade jene Personen, die die AGBs gelesen hatten, eher das Gefühl des Kontrollve­rlusts. Die Überforder­ung und Resignatio­n, die teilweise in Wut umschlug, äußerte sich auch bei einer qualitativ­en Tiefenanal­yse. „Es gab Teilnehmer, die sich für die Studie bedankten, weil ihnen die Augen geöffnet wurden“, berichtet Rothmann. „Das ist sehr ungewöhnli­ch für einen OnlineSurv­ey. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die User wohl nichts gegen eine datenschut­zfreundlic­he Technologi­egestaltun­g hätten.“

 ??  ?? Kritische Blicke von einer Mauer in Madrid: Facebook handelt mit Daten von Nutzern, die kaum informiert sind über die Prozesse im Hintergrun­d, sagen Experten.
Kritische Blicke von einer Mauer in Madrid: Facebook handelt mit Daten von Nutzern, die kaum informiert sind über die Prozesse im Hintergrun­d, sagen Experten.

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