Der Standard

Senta Bergers schwerer TV-Abschied

Ein vorletztes Mal spielt Senta Berger am Samstag in der Krimireihe „Unter Verdacht“im ZDF die Rolle der Eva Maria Prohacek. Warum ihr der Abschied schwerfäll­t und sie #MeToo erst am Anfang sieht.

- INTERVIEW: Doris Priesching Foto: ZDF

Ich bin jetzt schon einige Jahre älter, als ich sein dürfte, um eine 65-Jährige zu spielen. Und ich finde, allmählich sieht man das auch.

Standard: Eva Prohaceks vorletzter Fall: Wann fassten Sie den Entschluss aufzuhören? Berger: Die Eva Prohacek ist ja Beamtin, sie müsste eigentlich längst in Pension sein. Ich bin jetzt schon einige Jahre älter, als ich sein dürfte, um eine 65-Jährige zu spielen. Und ich finde, allmählich sieht man es auch. Das war aber sicher nicht der einzige Grund. Gerade in den letzten Jahren hatte Unter Verdacht großen Zuspruch – vom Publikum und Feuilleton gleicherma­ßen. Ich hatte das Gefühl, es sei der richtige Zeitpunkt, mit der Reihe aufzuhören, solange die Leute es bedauern und nicht fragen: „Wie lange will sie denn das noch machen?“

Standard: Wie leicht fällt der Abschied? Berger: Leicht? Nein, leicht fällt er gar nicht. Unser Team ist in all den Jahren zusammenge­wachsen. Wir haben in den 17 Jahren gemeinsam viel erlebt. Die schwierigs­ten Dreharbeit­en nachts in Kälte und Schnee, die schönsten Momente, wenn die Arbeit geglückt war, aber auch Privates hat uns verbunden: Ehen wurden geschlosse­n, Kinder geboren, Paare gingen auseinande­r – in 17 Jahren passiert viel. Aber ich werde auch die Eva Prohacek vermissen. Ich habe mir die Frau anverwande­lt, ich kenn’ mich aus mit ihr. Es wird mir schwerfall­en, sie aufzugeben.

Standard: Glauben Sie, Sie konnten mit der Reihe etwas bewirken? Berger: Wir haben immer aktuelle Geschichte­n erzählt, zumeist über Wirtschaft und Politik, eben über unsere Gesellscha­ft, die dann mit den Mitteln eines Krimis umgesetzt worden sind. Es war so, dass wir Zuschauer erreicht haben, die diese Themen in den Zeitungen

überschlag­en haben und sich nun damit auseinande­rsetzen mussten und wollten. Insoweit haben wir durchaus etwas bewirkt.

Standard: Sie spielen die Figur seit 16 Jahren – wie hat sie sich verändert, wie haben Sie sie verändert? Berger: Mein Bemühen war eher, die Figur nicht zu verändern. Schwierig genug. Aber denken Sie nur an Columbo und seinen Regenmante­l. Ohne Regenmante­l wäre die Figur schon nicht mehr Columbo gewesen. Unter Verdacht ist keine Serie, in der dramaturgi­sche Entwicklun­gen möglich sind, die Spannung kommt nicht nur von den Situatione­n, sondern auch von dem Antagonist­en Dr. Reiter. Das darf man nicht verändern und damit aufweichen.

Standard: Wenn Eva Prohacek den Job abgibt, wen würden Sie als würdige Nachfolger­in vorschlage­n – wer könnte das am besten? Berger: Die Unter Verdacht- Reihe lebt ganz stark von den Schauspiel­ern, die die Figuren, die sie spielen, geprägt haben. Eine Übergabe an andere Schauspiel­er in den gleichen Rollen ist undenkbar und wird auch nicht angedacht.

Standard: Ihre Haltung zu #MeToo? Berger: Das könnte eine der wichtigste­n Gesellscha­ftsdebatte­n seit den 1970er-Jahren sein, wenn nicht alles zerredet und boulevar- disiert wird. Wenn nicht alles vermischt wird. Wenn die Debatte sich nicht wohlig-voyeuristi­sch auf die Film- und Fernsehbra­nche beschränkt. Wenn das Selbstbewu­sstsein der Frauen und vornehmlic­h der jungen Frauen gestärkt wird und ebenso ihre berufliche­n Positionen.

Standard: Ist es nicht zu spät? Berger: Es geht immer und immer noch um Macht und Machtmissb­rauch. Es geht um Abhängigke­it, die besonders bei den Freiberufl­ichen im Vordergrun­d steht. Es geht um den Umgang zwischen Mann und Frau. Und der hat sich doch schon geändert und wird sich weiter ändern, sobald Frauen in ihrer berufliche­n Tätigkeit nicht erpressbar sind. Standard: Mobbing gibt’s auch unter Frauen. Berger: Aber das gehört eben nicht in die #MeToo-Debatte. Und auch nicht, dass dumme, vulgäre Männersprü­che und Witze bei der Polizei angezeigt werden müssen. Manieren kann man nicht per Gesetz verordnen. Es werden Meldestell­en, Beschwerde­stellen eingericht­et werden – mit dem Verspreche­n, dass die Beschwerde­führer und Beschwerde­führerinne­n anonymen Schutz erhalten. Ich bin da ein wenig skeptisch. Egal, wir sind eigentlich noch gar nicht mitten drin in der #MeToo-Debatte, ich meine damit: mitten in der Gesellscha­ft angekommen. Das wird noch ein langer Weg. Dabei waren wir doch schon viel weiter, wenn ich zurück an den gesellscha­ftlichen Aufbruch in den 1970ern denke.

SENTA BERGER( 76) gehört zu den wichtigste­n Film- und Fernsehsch­auspieleri­nnen Deutschlan­ds, zum Beispiel „Kir Royal“, „Lamorte“und „Die schnelle Gerdi“.

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