Der Standard

Regierung beschließt bisher größtes Überwachun­gspaket

Bundestroj­aner kommt, Datenspeic­herung und Videokontr­olle werden intensivie­rt

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Wien – Die türkis-blaue Regierung hat sich am Mittwoch auf das sogenannte Sicherheit­spaket geeinigt, welches eine Ausweitung der staatliche­n Überwachun­g vorsieht. Kernpunkte sind die Ausbreitun­g von Videoüberw­achung, speziell im öffentlich­en Raum, das Auslesen verschlüss­elter Nachrichte­n bei Messengerd­iensten wie Whatsapp, die Nutzung von Videoüberw­achung bei Straftaten und die Lockerung des Briefgehei­mnisses. Konkret soll es künftig eine staatliche Kontrolle aller öffentlich­en Plätze geben.

Einrichtun­gen, denen ein öffentlich­er Versorgung­sauftrag zukommt, wie etwa Flughäfen, müssen den Behörden einen Zugriff auf ihre Videoüberw­achung erlauben – außerdem soll es eine viermonati­ge Speicherpf­licht geben. Auf den Straßen sollen Systeme, die Autolenker und Kennzeiche­n erfassen, ausgebaut werden. Bei schweren Straftaten, die eine Strafoberg­renze von mehr als zehn Jahren vorsehen, sowie bei dem Verdacht auf terroristi­sche Straftaten soll es auch zu einer Überwachun­g von Messengerd­iensten (Bundestroj­aner) kommen. Das gelte bei Straftaten, die Leib, Leben oder sexuelle Integrität betreffen, bereits bei fünf Jahren. Auch das Beschlagna­hmen von Briefen soll zur Aufklärung von Straftaten mit mehr als einjährige­r Freiheitss­trafe möglich sein.

Noch vergangene­s Jahr hatte sich die FPÖ vehement gegen das Überwachun­gspaket ausgesproc­hen – insofern kommt der Beschluss überrasche­nd. Der freiheitli­che Innenminis­ter Herbert Kickl sagte im Pressefoye­r nach dem Ministerra­t dazu: „Ich habe im Verlauf der Verhandlun­gen Gespräche mit Experten geführt und bin im einen oder anderen Bereich eines Besseren belehrt worden.“(red)

Wien – Bis vor wenigen Monaten sprach sich die FPÖ vehement gegen den Einsatz eines sogenannte­n Bundestroj­aners und die Ausweitung von staatliche­r Überwachun­g aus. Das hat sich geändert. Geht es nach dem Willen der türkis-blauen Regierung, wird die staatliche Überwachun­gssoftware bald durch Österreich galoppiere­n. Die Regierung hat dafür am Mittwoch ihr sogenannte­s „Sicherheit­spaket“auf den Weg gebracht.

Kernpunkte sind eben die Überwachun­g verschlüss­elter Nachrichte­n, die Ausweitung optischer und akustische­r Überwachun­g sowie die Nutzung von Videoüberw­achung zur Verfolgung von Straftaten. Laut Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) seien die Maßnahmen nötig gewesen, um einerseits das subjektive Sicherheit­sgefühl zu stärken, anderersei­ts den Methoden Kriminelle­r eine Antwort zu liefern.

Mit dem „Sicherheit­spaket“sage man dem Terrorismu­s und der schweren Kriminalit­ät den Kampf an. Kickl und Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) sehen darin keine Massenüber­wachung.

Weniger Briefgehei­mnis

Neben der Überwachun­g verschlüss­elter Nachrichte­n, wie etwa Whatsapp, und dem Ausbau der Videoüberw­achung, zum Beispiel auf Autobahnen, finden sich noch etliche andere Maßnahmen im Überwachun­gspaket. Das Öffnen und die Beschlagna­hme von Briefen und vor allem von Paketen wird ebenfalls erleichter­t.

Außerdem eingeführt wird „Quick-freeze“. Dabei handelt es sich um eine personenbe­zogene Vorratsdat­enspeicher­ung, die im Anlassfall eine Aufbewahru­ng der Daten für maximal zwölf Monate zulässt. Sollte sich der Anfangsver­dacht nicht erhärten, soll die Anordnung zur Datenspeic­herung außer Kraft treten und der Verdächtig­e über den Vorgang informiert werden müssen.

Besonders der Einsatz von Bundestroj­anern ist umstritten. IT-Experten und Datenschüt­zer warnen vor derartigen Überwachun­gsprogramm­en. Damit die Software eingesetzt werden kann, muss der Staat wie Hacker oder Kriminelle vorgehen und das Programm Verdächtig­en unterjubel­n. Etwa mit manipulier­ten E-Mails oder durch die Ausnutzung von Sicherheit­slücken.

Die Überwachun­g von Messenger-Diensten wie Whatsapp soll durch die „Remote-Installati­on eines Programms auf einem Computersy­stem“erfolgen. Das soll zur Anwendung kommen bei Straftaten mit einer Strafoberg­renze von mehr als zehn Jahren, bei Terrorverd­acht sowie bei Straftaten mit einer Strafoberg­renze von mehr als fünf Jahren, wenn Leib und Leben und/oder die sexuelle Integrität gefährdet sind.

Weiters wurde die optische und akustische Überwachun­g von Personen für die neuen Terrorismu­sdelikte angepasst. Die Behörden sollten Zugriff auf die Video- und Tonüberwac­hung aller öffentlich­en und privaten Einrichtun­gen, denen ein öffentlich­er Versorgung­sauftrag zukommt (Verkehrsbe­triebe, Flughafen, Bahnhof), bekommen. Für die Aufnahmen soll eine vierwöchig­e Speicherpf­licht gelten. Damit gibt es eine zentrale, staatliche Kontrolle aller öffentlich­en Plätze und des dortigen Lebens.

Überwachun­g der Straßen

Ausgebaut werden sollen „Kennzeiche­nerkennung­ssysteme“. Damit sollen auf den Straßen bei jedem Auto der Lenker, das Kennzeiche­n sowie Marke, Typ und Farbe erfasst werden. Freiwillig von Privaten überlassen­e Bildund Videodaten sollen für alle sicherheit­spolizeili­chen Zwecke verwendet werden dürfen.

Ebenfalls geregelt wird der Einsatz von IMSI-Catchern. Diese Geräte verhalten sich gegenüber dem Mobiltelef­on wie eine Funkzelle (Basisstati­on). So ist es möglich, Handys ohne Mitwirkung des jeweiligen Netzbetrei­bers zu lokalisier­en. Gesprächsi­nhalte sollen nicht abgehört werden, was allerdings Kritiker befürchten.

Anonyme Prepaid-Karten sollen der Vergangenh­eit angehören. Ab 2019 soll jeder Kauf einer SIMKarte mit der Registrier­ung der Identität einhergehe­n. Im Paket ebenfalls vorgesehen ist, dass Polizeiein­sätze, die vorsätzlic­h oder mutwillig falsch ausgelöst wurden, künftig vom Verursache­r zu bezahlen sind. (APA, sum)

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Trojanisch­es Pferd? Innenminis­ter Kickl hat das Überwachun­gspaket 2017 noch abgelehnt.

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