Der Standard

Brandstett­er bestellt, bisweilen befangen

Die Regierung einigt sich auf drei Postenbese­tzungen am Verfassung­sgerichtsh­of. Während Brigitte Bierleins Aufstieg zur Präsidenti­n erwartet wurde, wird die Berufung des ehemaligen Justizmini­sters Wolfgang Brandstett­er zum Höchstrich­ter scharf kritisiert.

- Marie-Theres Egyed

Wien – Auf Schwarz-Blau kann sich Brigitte Bierlein verlassen. 2003 machte Wolfgang Schüssel sie zur Vizepräsid­entin des Verfassung­sgerichtsh­ofes, nun haben sich die Regierungs­parteien darauf geeinigt, die Strafrecht­sexpertin als Präsidenti­n des Höchstgeri­chts zu nominieren. Für zwei Jahre wird die 68-Jährige den Verfassung­sgerichtsh­of leiten. Wenn sie Ende 2019 das Höchstalte­r von 70 Jahren erreicht, muss sie aus dem Amt scheiden.

Ihr Vize wird Christoph Grabenwart­er. Der 51-Jährige ist seit 2005 – ebenfalls auf ÖVP-Ticket – Verfassung­srichter und soll 2020 wiederum von Bierlein den Vorsitz übernehmen.

Noch ein dritter Name wurde am Mittwoch im Ministerra­t fixiert: Der ehemalige Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er ( ÖVP) wird Verfassung­srichter. Der 60Jährige gilt als enger Vertrauter von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, sprang er doch als Vizekanzle­r ein, nachdem Kurz den damals noch schwarzen, heute türkisen Parteivors­itz übernahm.

Kanzleramt­sminister Gernot Blümel (ÖVP), der den erkrankten Kanzler im Ministerra­t vertrat, weist jegliche Kritik am Wechsel Brandstett­ers von der Politik ans Höchstgeri­cht zurück. Brandstett­er sei eine „integre Person“.

Angesproch­en auf das Sicherheit­spaket, das möglicherw­eise vom VfGH geprüft werde, erklärt Blümel: Brandstett­er sei nicht mehr Minister und habe die Überwachun­gsmaßnahme­n, die am selben Tag im Ministerra­t präsentier­t wurden, auch nicht mitbeschlo­ssen. Dass er noch als aktiver Politiker ein Sicherheit­spaket erarbeitet hatte, das sich kaum von jenem unterschei­det, auf das sich nun Türkis-Blau geeinigt hat, will Blümel nicht als Problem bewerten. Wann sich Brandstett­er im Gremium als befangen erkläre, dürfe er selbst entscheide­n.

Das Gesetz ist hier auf Brandstett­ers Seite: Im Verfassung­sgerichtsh­ofgesetz ist nur geregelt, dass die betreffend­e Person zum Zeitpunkt der Erlassung einer Verordnung nicht Mitglied einer Bundes- oder Landesregi­erung sein darf. Das gilt damit nicht für Gesetze, sie werden ja vom Nationalra­t und nicht vom Ministerra­t beschlosse­n.

Ansonsten liegt es in seiner Verantwort­ung: Sobald der Anschein einer Befangenhe­it entstehen könnte, muss ein Richter das dem Präsidente­n berichten – ein Ersatzmitg­lied kommt zum Zug. Ein Sprecher des Höchstgeri­chts betont auf STANDARD- Nachfrage: „Das Problem wird sehr ernst genommen und intensiv diskutiert.“Letztlich sei der Verfassung­sgerichtsh­of ein Kollegium, das über mögliche Befangenhe­iten gemeinsam entscheide.

Zwei weitere Verfassung­srichter werden vom Parlament nominiert. Der Job, eigentlich nur eine mit 6677 Euro dotierte Nebentätig­keit, ist ziemlich begehrt: 41 Bewerbunge­n gibt es, allerdings beanspruch­t die FPÖ die Entsendung­en für sich. Als Favoriten werden der Linzer Universitä­tsprofesso­r Andreas Hauer und Medienanwa­lt Michael Rami gehandelt.

Rami ist der blaue Haus-undHof-Anwalt, der etwa die FPÖ im Prozess gegen den Verfassung­srichter Johann Schnizer vertrat, nachdem dieser die Anfechtung der Bundespräs­identenwah­l kritisiert­e. Auch wenn sich die Regierungs­parteien bereits auf zwei Kandidaten verständig­t haben, die von National- und Bundesrat schließlic­h gewählt werden, finden am Freitag und Dienstag Hearings statt. Das ist jedoch mehr Kür als Pflicht: Denn Einspruchs­möglichkei­ten gibt es für die Opposition keine.

Ein Grund für die Liste Pilz, die Anhörungen zu boykottier­en. Sie sprechen von „Verarschun­g“. Weniger drastisch formuliert es der Neos-Verfassung­ssprecher Nikolaus Scherak, wenngleich er das Vorgehen als Missachtun­g des Parlaments bezeichnet. Eine Viertelstu­nde steht jedem Bewerber zur Verfügung, sich dem Hohen Haus zu präsentier­en, jede Fraktion darf eine Frage stellen. Die Hearings finden hinter verschloss­enen Türen statt, Medien sind keine zugelassen. Mehr Transparen­z wünscht sich Scherak und verweist auf das öffentlich­e Hearing für den Rechnungsh­of. Rami und Hauer dürften dem Nationalra­t nicht aufgezwung­en werden.

Auch die SPÖ spricht von einer Farce. Klubobmann Andreas Schieder zeigte sich „schwer verärgert“, es werde ein Tauschhand­el zwischen den Regierungs­parteien betrieben, ohne die Hearings abzuwarten.

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Bierlein wird die erste Präsidenti­n des Höchstgeri­chts.

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