Der Standard

IKG-Chef Deutsch zu antisemiti­schem Liederbuch: „Das ist System“

Strache verteidigt Burschensc­haft Bruna Sudetia, Staatsanwa­lt leitet Ermittlung­sverfahren ein, weiterer FP-Bezirksrat soll Brune sein

- Colette M. Schmidt, Hans Rauscher

Wien – Die antisemiti­schen Reime aus einem Liederbuch, das der Burschensc­haft Bruna Sudetia zugerechne­t wird, sorgen weiter für Aufregung. Vizekanzle­r und FPÖParteic­hef Heinz Christian Strache stellte sich voll hinter die Burschensc­haft und den dort verorteten Mitarbeite­r von Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FPÖ), Herwig Götschober und stritt – wie auch Hofer – einen Zusammenha­ng zwischen dem Liederbuch und der Burschensc­haft einfach ab. Strache kündigte auch rechtliche Schritte gegen den Falter an, der die Lieder publik gemacht hatte. Doch andernorts häufen sich die Rücktritts­forderunge­n an Götschober und andere Mitglieder der Bruna Sudetia, die FPÖ-Funktionär­e sind.

Während für Strache und Hofer die Vorwürfe haltlos sind, hat die Staatsanwa­ltschaft Wien am Mittwochmo­rgen ein Ermittlung­sverfahren gegen die Bruna Sudetia eröffnet. Dass am Mittwochna­chmittag eine Hausdurchs­uchung in den Räumlichke­iten der Burschensc­haft im 8. Bezirk durchgefüh­rt wurde, wollte man im Gespräch mit dem Standard jedoch nicht bestätigen.

Die Causa spielt auch in die Kommunalpo­litik hinein: Nachdem Götschober am Dienstag von den Grünen als Bezirksrat des Bezirks Leopoldsta­dt zum Rücktritt aufgeforde­rt worden war, meldeten sich am Mittwoch die Grünen aus dem Bezirk Rudolfshei­m- Fünfhaus. Dort sitzt mit Dominik Weber ein weiterer FPÖ-Bezirksrat, der Mitglied der Burschensc­haft sein soll, in deren Liederbuch Juden der Tod gewünscht wird oder sie als „stinkend“beschimpft werden. Es sei auch im 15. Bezirk mit seiner jüdischen Geschichte nicht hinnehmbar, dass „80 Jahre nach der Reichspogr­omnacht Antisemiti­smus wieder salonfähig wird“, so der grüne Bezirksrat Christian Tesar.

„Kein Kontakt zur FPÖ“

Klare Worte gab es am Mittwoch vom Chef der Israelitis­chen Kultusgeme­inde (IKG) Oskar Deutsch. In seiner Rede am Kongress „An End to Antisemiti­sm“sagte er zum neuen Liederbuch­skandal: „Solange es in der FPÖ solche Vorkommnis­se gibt, wird es keinen Kontakt der Kultusgeme­inde zu FPÖ-Politikern geben. In der kurzen Zeit, da die FPÖ in der Regierung ist, hat es 16 Vorfälle antisemiti­scher, rassistisc­her und rechtsradi­kaler Natur gegeben“, sagte Deutsch, der auch an den Fall der Burschensc­haft Germania des zurückgetr­etenen niederöste­rreichisch­en FPÖ-Politikers Udo Landbauer erinnerte, „das sind keine Einzelfäll­e, sondern das ist System“.

Die Verteidigu­ng der Bruna Sudetia durch die FPÖ-Parteispit­ze ist umso bemerkensw­erter, wenn man sich deren Geschichte ansieht. Das Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­es hat reichlich Material zu den Brunen: Die 1882 aus den Verbin- dungen Bruna und Sudetia fusioniert­e Burschensc­haft nahm schon drei Jahre nach ihrer Entstehung keine Juden mehr auf, 1888 schmiss sie sogar ihre jüdischen Alten Herren hinaus. Die Befürwortu­ng des Nationalso­zialismus ist bei der Bruna Sudetia schon 1933 dokumentie­rt, den Anschluss Österreich­s ans Deutsche Reich sahen die Brunen noch 1971 als Erfüllung eines Traums. Während der NS-Zeit bestand die Burschensc­haft als Kameradsch­aft Otto Planetta (benannt nach dem Nazi und Mörder von Engelbert Dollfuß) im NS-Studentenb­und nahtlos weiter.

Brunen nahmen in den vergangene­n Jahren unter anderem auch an Pegida-Aufmärsche­n in Dresden teil.

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