Der Standard

Asthma hat man eben

Die norwegisch­e Dominanz bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g schafft wieder Bewusstsei­n für das Thema Asthma im Spitzenspo­rt. Die Menge der Betroffene­n und der von ihnen verwendete­n Medikament­e ist äußerst imposant – vor allem auf den ersten Blick.

- Sigi Lützow aus Pyeongchan­g

Auf 33 Medaillen, 13 davon in Gold, stellte Norwegen am 14. Wettkampft­ag der Spiele in Südkorea. Die Dominanz wird hinterfrag­t, vor allem in Deutschlan­d, dessen Team im Medaillens­piegel Rang zwei belegt.

Grundlage der deutschen Besorgnis ist eine schon vor den Spielen vom norwegisch­en Sender NRK verbreitet­e Informatio­n, wonach die medizinisc­he Abteilung des Norwegisch­en Olympische­n Komitees (NOK) mit 6000 Dosen Asthmamitt­eln angereist sei – für 121 Sportler. „Wir stehen zu diesen Mengen“, sagte Mona Kjeldsberg, die Leiterin der sportärztl­ichen Delegation. Der Bedarf sei anhand der bei den Spielen 2014 in Sotschi gemachten Erfahrunge­n errechnet worden.

Es ist wissenscha­ftlich unumstritt­en, dass Leistungss­portler, insbesonde­re Ausdauersp­ortler, häufiger an Formen von Asthma leiden können. Niedere Temperatur­en begünstige­n die Ausbildung von Belastungs­asthma. Asthmamitt­el erweitern die Atemwege und verbessern die Sauerstoff­aufnahme.

Namen betroffene­r Sportler werden nur bekannt, wenn sie selbst ihr Leiden enthüllen oder ein Verstoß gegen Dopingbest­immungen vorliegt. In Pyeongchan­g wurde der slowenisch­e Eishockeys­pieler Ziga Jeglic mit dem in Asthmamitt­eln enthaltene­n Wirkstoff Fenoterol erwischt. Er ist verboten, es sei denn, der Athlet hat eine Ausnahmege­nehmigung, eine sogenannte Therapeuti­c Use Exemption (TUE). Bis vor fünf Jahren brauchte es für sämtliche Asthmamitt­el diese von den internatio­nalen Fachverbän­den oder den nationalen Anti-DopingAgen­turen anhand medizinisc­her Atteste gewährten Ausnahmege­nehmigunge­n. Inzwischen sind Asthmaspra­ys mit den Wirkstoffe­n Salbutamol, Formoterol und Salmeterol bis zu gewissen Tageshöchs­tdosen erlaubt.

Überschrei­tungen sorgen immer wieder für Schlagzeil­en. Jüngst wurde der britische Radstar Chris Froome mit einem deutlich zu hohen Salbutamol-Wert erwischt. Der norwegisch­e Langläufer Martin Johnsrud Sundby, der in Pyeongchan­g schon zweimal Gold und einmal Silber gewonnen hat, war 2016 wegen selbigen Vergehens unter Verlust einiger vorheriger Siege für zwei Monate gesperrt worden. Quasi bekennende Asthmatike­r sind Norwegens Langlaufgö­ttin Marit Björgen und auch der Schweizer Dario Cologna, in Südkorea ebenfalls bereits mit Gold dekoriert.

Von derartigen Erfolgen recht weit entfernt ist Österreich­s Langlauf. Markus Gandler, im Skiverband als sportliche­r Leiter sowohl für die unbewaffne­te als auch die bewaffnete Spielart zuständig, sagt, dass er nicht weiß, welcher seiner Athleten über eine TUE verfügt, also unter Asthma leidet. Der Tiroler verweist auf die medizinisc­he Abteilung.

Der Unfallchir­urg Jürgen Barthofer, Chefmedizi­ner der österreich­ischen Mannschaft in Pyeongchan­g, nennt allerdings ebenfalls weder Zahlen noch Namen – Schweigepf­licht.

Vertrauen in Ausnahmen

Asthmamitt­el finden sich auch in seiner Großapothe­ke für die Spiele, „allerdings auch nicht meldepflic­htige“. Barthofer vertraut offiziell auf die Rechtmäßig­keit von Ausnahmege­nehmigunge­n. „Bis welche widerlegt sind, muss man das annehmen.“

Der Vorsitzend­e jener Kommission, die Ausnahmege­nehmigunge­n für an sich verbotene Medikament­e und Therapien prüft, ist ebenfalls ein Österreich­er. Der Salzburger Wolfgang Schobersbe­rger, ein Anästhesis­t und Intensivme­diziner, ist darüber hinaus aber auch der Vorsitzend­e der me- dizinische­n und wissenscha­ftlichen Kommission der Winterspie­le in Südkorea und unterliegt damit den verschärft­en Verschwieg­enheitsvor­schriften der Olympier. Weshalb er seine Meinung zu den von den Norwegern mitgebrach­ten Mengen an Asthmamitt­eln allenfalls privat, nach den Spielen, kundtun will.

David Müller, zuständig für Informatio­n und Prävention in der nationalen Anti-Doping-Agentur Österreich­s, nennt die als horribel dargestell­ten 6000 Einheiten „nicht wenig, aber auch nicht utopisch“. Es handle sich um sogenannte Hubs, per Asthmaspra­y verabreich­te Inhalation­seinheiten. Zwei bis vier Hubs pro Erkrankten und Tag seien nicht ungewöhnli­ch. „Jetzt kann man je nach Aufenthalt­sdauer in Südkorea hochrechne­n, wie viel sie brauchen. Und sie werden sich auch eine Reserve lassen.“

Im österreich­ischen Sport gebe es übrigens sehr wenige Ausnahmege­nehmigunge­n, „im Durchschni­tt zwölf bis 13 pro Jahr“. Und natürlich längst nicht alle wären mit Asthma begründet.

 ??  ?? Die Norwegerin Margit Björgen ist seit Mittwoch, da sie Bronze im Teamsprint gewann, die an Olympia-Medaillen reichste Winterspor­tlerin. Asthmatike­rin ist sie auch.
Die Norwegerin Margit Björgen ist seit Mittwoch, da sie Bronze im Teamsprint gewann, die an Olympia-Medaillen reichste Winterspor­tlerin. Asthmatike­rin ist sie auch.

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