Auffällig unauffällig
Die russische Durchschnittlichkeit bei diesen Spielen wirft Fragen auf – Anhörung im Dopingfall Kruschelnitzki – Bach unter Druck
Pyeongchang – Well, das ist schon ziemlich auffällig. Die olympischen Athleten Russlands liegen im Medaillenspiegel nach 76 von 102 Entscheidungen nur an der 20. Stelle. Mehr als viermal Silber und neunmal Bronze hat bis dato nicht herausgeschaut.
Und da drängt sich schon der Vergleich mit Sotschi 2014 auf. Damals waren 223 russische Sportlerinnen und Sportler am Start, am Schlusstag der Spiele standen die Gastgeber – vermeintlich – mit 33 Medaillen (13/11/9) als großer Sieger fest. Einen Staatsdopingskandal und einige aberkannte Medaillen später hält Russland in Sotschi immer noch offiziell bei 22 Medaillen (9/5/8), die in der Endabrechnung den vierten Platz ergeben.
Selbst davon ist Russland in Pyeongchang weit entfernt. Dabei ist das Team mit 168 Aktiven, die vom IOC zugelassen wurden, nicht so viel kleiner als vor vier Jahren – aber so viel besser kontrolliert, behaupten IOC-Offiziel- le. Auch darauf begründet sich Verwunderung über den positiv getesteten Curler Alexander Kruschelnitzki, der Bronze im MixedBewerb gewonnen hatte und dann der Einnahme von Meldonium überführt worden war. Kruschelnitzkis Anhörung vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS findet heute, Donnerstag, statt. Ihm und seiner Ehefrau Anastassija Brysgalowa droht die Aberkennung von Bronze, nur ihm droht eine Sperre.
Am Samstag trifft sich die IOCExekutive, um zu entscheiden, ob die Suspendierung Russlands aufgehoben wird. Viele glauben, dass der russlandfreundliche IOCPräsident Thomas Bach die Russen vor der Schlussfeier gerne begnadigen würde – doch nun kriegt er den Curling-Fall nicht vom Eis.
„Wir bedauern den Vorfall sehr“, hatte das russische olympische Komitee ROC in einer Stellungnahme geschrieben und eine ganze Reihe vermeintlich entlas- tender Argumente vorgebracht. Die Meldonium-Konzentration bei Kruschelnitzki sei „absolut bedeutungslos für jedweden Effekt auf den menschlichen Körper“gewesen, hieß es. Zudem seien Kruschelnitzkis vorangehende Tests negativ gewesen. Der Curler mutmaßte, dass ihm ein Teamrivale im Trainingslager Meldonium ins Getränk geschüttet hatte. Russlands Sportminister Pawel Kolobkow erklärte, Doping ergebe im Curling ohnehin keinen Sinn.
Sei’s drum. Auf Gold in Pyeongchang darf Russland jedenfalls hoffen. In der Damenkür im Eiskunstlauf am Freitag sind Europameisterin Alina Sagitowa und Jewgenija Medwedjewa, die sich vor der Kür schon einmal abgesetzt haben, die großen Favoritinnen auf den Titel.
Auch im Eishockey sieht es nicht schlecht aus. Norwegen war für die Russen jedenfalls kein Stolperstein, das Viertelfinale endete 6:1. Im Semifinale geht es gegen Tschechien. (fri, sid)