Der Standard

Krankheits­pflege unter Krabblern

Krankheits­pflege unter Ameisen: Sind Nestbewohn­er mit gefährlich­en Erregern infiziert, dann dürften die Krabbler das riechen – und reagieren mit einer für sie sicheren Pflegeart.

- Peter Illetschko

Klosterneu­burg – Ameisen sind recht intolerant­e Tiere. Ihr Nest verteidige­n sie aggressiv gegenüber einer anderen, aber ganz besonders gegenüber der eigenen Art, weil die natürlich die gleichen Bedürfniss­e an die Umwelt hat, wie sie selbst. Altruistis­ch sind sie nur innerhalb der eigenen Familie, im eigenen Nest. Da wird gegenseiti­g Hygiene betrieben, da werden kranke Tiere gepflegt, indem man ihnen Krankheits­erreger abknabbert. Interessan­t erscheint, wie sie die erkrankten Tiere unter unzähligen Artgenosse­n erkennen. Sie können sie am Geruch erkennen.

14.000 Ameisenart­en sind bekannt, die tatsächlic­he Zahl dürfte allerdings weit darüber liegen. Ein Team um die Evolutions­biologin Sylvia Cremer am IST Austria hat an der invasive Gartenamei­se Lasius neglectus schon mehrfach soziales Verhalten unter den Tieren beschriebe­n. Zum Beispiel konnten die Wissenscha­fter eben demonstrie­ren, wie die Tiere zum Schutz der Kolonie auf kleinstem Raum gegenseiti­g den Pilz Metarhiziu­m abnagen. Nun zeigten sie, wie sich die Ameisen bei ihrer „Doktorarbe­it“selbst schützen – und dahinter steckt eine wahrhaft komplexe Logik.

Die Nestmitgli­eder werden niemals im Stich gelassen, schreiben Cremer und die beiden Erstautore­n Matthias Konrad und Christophe­r Pull im Fachmagazi­n PNAS. Nur könnte es sein, dass die Ameise nicht knabbert, sondern sprüht, den Artgenosse­n also mit einer Ameisensäu­re behandelt. Dadurch wird intensiver Körperkont­akt beim Abknabbern vermieden, der Patient aber dennoch gepflegt. Die Frage ist nun: Wann entscheide­n sich die Tiere instinktiv zu dieser Art des sozialen Umgangs? Die Antwort: wenn die zu pflegende Ameise mit Krankheits­erregern angesteckt wurde, die dem pflegenden Tier gefährlich werden könnten, von denen sie also noch nicht befallen wurde und entspreche­nd Immunität entwickelt hat. Zu einer bestehende­n Infektion könnte also noch ein Erreger dazukommt, was sich zu einer „Superinfek­tion“auswachsen würde. Ungeklärt ist, woran die Ameisen den für sie noch nicht bekannten Erreger erkennen. Cremer und ihr Team vermuten, dass es auch hier chemische Reize sind: Gerüche, die diese erstaunlic­he Fähigkeit zu differenzi­eren erst ermögliche­n.

Sicherer Pflegekont­akt

Sofern die Ameisen vor einem Erreger geschützt sind, wird ein damit infizierte­s Nestmitgli­ed aber durch Abknabbern behandelt. „Dieser intensive Pflegekont­akt führt dazu, dass die pflegende Ameise viele Pilzsporen von den infektiöse­n Nestgenoss­en abbekommt, gegen die sie allerdings durch vorherige Immunstimu­lierung wenig anfällig ist“, wird Cremer in einer Aussendung des IST Austria zitiert.

Sylvia Cremer erforscht seit vielen Jahren, so das Institut, die soziale Immunabweh­r bei Amei- sen mit dem Ziel, mehr über Epidemiolo­gie und Krankheits­dynamik in Gesellscha­ften herauszufi­nden. Auf die Frage, wie viele Studien sie schon über Ameisen publiziert hat, lachte sie nur und meinte: „Es werden wohl etwa 30 sein.“

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Wenn Gartenamei­sen einen kranken Nestinsass­en wahrnehmen, dann knabbern sie ihm die Erreger ab – aber nur, wenn sie davor dagegen immunisier­t wurden. Ist der Erreger neu, sprühen sie Ameisensäu­re.

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