Der Standard

die Regierung So wird überwachen

Die Bundesregi­erung hat ihren Entwurf für ein massives Überwachun­gspaket vorgelegt. Es sieht eine drastische Verschärfu­ng aktueller Maßnahmen und völlig neue Ermittlung­smethoden wie den Einsatz von Spionageso­ftware vor. Während die FPÖ ähnliche Pläne als

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BUNDESTROJ­ANER

Kernstück des Überwachun­gspakets ist der sogenannte Bundestroj­aner. Er soll es Behörden ermögliche­n, verschlüss­elte Inhalte auszulesen. Strafbehör­den argumentie­ren, durch den Einsatz von Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung in Messengern wie Whatsapp „blind“geworden zu sein. Früher konnten sie Nachrichte­n auf dem Weg von Sender zu Empfänger abfangen. Bei verschlüss­elten Inhalten bringt das nichts: Dann sehen Behörden statt des Inhalts nur eine sinnfreie Aneinander­reihung von Ziffern und Buchstaben. Diese können nicht „aufgebroch­en“, also in ihren ursprüngli­chen Inhalt zurückverw­andelt werden. Das kann nur das Gerät jenes Nutzers, für den die Nachricht bestimmt war. Deshalb wollen sich Behörden statt auf die Auslesung des Transports nun auf die Überwachun­g von Endgeräten konzentrie­ren. Hier kommt der Bundestroj­aner ins Spiel. Es handelt sich dabei um eine Software, die entweder aus der Ferne oder physisch am Zielobjekt installier­t wird. Dabei kann es sich um PCs, Tablets, Smartphone­s oder Spielekons­olen handeln. Der Trojaner überwacht dann, welche „Nachrichte­n“von dem Gerät empfangen und versandt werden. Mit dem Begriff sind aber nicht nur Textnachri­chten in einem Chatprogra­mm gemeint. Unter Nachrichte­n werden laut Gesetzeser­läuterunge­n vielmehr auch „der Aufruf von Websites, das Surfen im Internet und unverschlü­sselte Übertragun­gsvorgänge in eine Cloud“verstanden. Gegner des Trojaners argumentie­ren, dass diese Maßnahme weitaus intensiver in die Grundrecht­e eingreift als etwa das Abhören einer Telefonanl­age. Dazu kommt, dass für die Installati­on der Überwachun­gssoftware Sicherheit­slücken ausgenützt werden müssen. Der Staat muss auf einem „grauen Markt“, auf dem Kriminelle und Regierunge­n mitbieten, Einfallsto­re in Smartphone­s und Rechner erwerben. Die Kosten für die Anschaffun­g und Lizenzieru­ng von Überwachun­gssoftware beziffert das Innenminis­terium mit insgesamt 5,4 Millionen Euro bis 2022. Zum Einsatz soll der Trojaner erstmals am 1. April 2020 kommen. (fsc)

HANDYORTUN­G

Der Einsatz sogenannte­r Imsi-Catcher soll mit dem Überwachun­gspaket gesetzlich geregelt werden. Derartige Geräte, die Handys in einem bestimmten Umkreis erkennen, waren schon bislang im Einsatz. Imsi-Catcher gaukeln Geräten ein Mobilfunkn­etz vor und bringen sie dazu, sich mit ihnen zu verbinden. Daraufhin können bestimmte Daten, allen voran die „Internatio­nal Mobile Subscriber Identity“(Imsi – daher der Name) ausgelesen werden. Imsi-Catcher können auch Telefonate abhören. Das soll in Österreich aber illegal sein. Ihr Einsatz „darf keiner Gesprächsü­berwachung dienen“, heißt es. Die Geräte können etwa verwendet werden, um Teilnehmer einer Demo zu identifizi­eren. (fsc)

BESCHLAGNA­HMUNG VON POST

Künftig soll es Behörden erleichter­t werden, Briefe und Pakete zu öffnen. Auch das hat mit dem Internet zu tun, und zwar mit dessen „dunklem“Teil. Denn das sogenannte Dark Web hat sich zu einem der wichtigste­n Umschlagpl­ätze für Drogen entwickelt. Da diese ja nicht virtuell versandt werden können, greifen Dealer auf den altmodisch­en Postweg zurück. Künftig soll die Polizei nach gerichtlic­her Bewilligun­g Postsendun­gen abfangen und untersuche­n dürfen, in denen sie Suchtmitte­l vermutet. Erst Mitte Jänner waren in Wien zwei „Darknet-Dealer“festgenomm­en worden, die sich mit der Post Rauschgift liefern ließen. Sie planten, die im Netz bestellten Drogen im Wert von 17.000 Euro weiterzuve­rkaufen. (fsc)

VIDEOÜBERW­ACHUNG

Öffentlich­e Institutio­nen und private Unternehme­n, die einen „öffentlich­en Versorgung­sauftrag“erfüllen – also etwa Flughäfen –, müssen künftig vier Wochen lang Aufnahmen von Überwachun­gskameras speichern. Bei einem Anlassfall müssen diese Videos an die Polizei übergeben werden. Außerdem dürfen sie nicht gelöscht werden, sobald eine Kenntnisna­hme des Herausgabe­wunsches erfolgt. Im Falle eines Echtzeitst­reamings können Behörden ebenfalls auf den Videofeed zugreifen. Kritik sehen in der Maßnahme eine Totalüberw­achung öffentlich­er Plätze. Im Regierungs­programm hatten sich ÖVP und FPÖ zu Investitio­n in den Bereich der Gesichtser­kennung bekannt. (fsc)

AUTOKENNZE­ICHENERFAS­SUNG

Aufgenomme­ne Autokennze­ichen sollen künftig zwei Wochen lang gespeicher­t werden. Schon jetzt nehmen Kameras auf Österreich­s Autobahnen Kennzeiche­n ins Visier. Ein System prüft dann, ob das Auto als gestohlen gemeldet wurde. Besteht kein Treffer, werden die Daten wieder gelöscht. Das ändert sich mit dem Überwachun­gspaket. Außerdem werden noch mehr Informatio­nen aufgenomme­n – zum Beispiel Marke, Type und Farbe des Fahrzeugs. Auch der Fahrzeugle­nker gerät ins Visier. Ausgangspu­nkt des Zugriffs ist aber weiterhin eine Liste gestohlene­r Kennzeiche­n. Kritiker der Maßnahme argumentie­ren jedoch, dass diese einen ersten Schritt in Richtung einer Totalüberw­achung von Reisenden darstellt. (fsc)

QUICK FREEZE

Einfrieren ist eine beliebte Form der Vorratshal­tung. Diese kommt künftig auch bei der Datensamml­ung zum Einsatz. Der Quick Freeze soll eine grundrecht­skonforme Alternativ­e zur Vorratsdat­enspeicher­ung sein, die von mehreren Höchstgeri­chten gekippt worden ist. Während die Vorratsdat­enspeicher­ung Informatio­nen zu allen Bürgern speicherte, soll Quick Freeze nur beim „Vorliegen eines Anfangsver­dachts“zum Einsatz kommen. Telekomfir­men müssen dann Daten von Zielperson­en bis zu zwölf Monate weiter speichern, anstatt sie wie bislang vorgesehen nach maximal drei Monaten zu löschen. Im Einzelfall dürfen Behörden dann auf staatsanwa­ltschaftli­che Anordnung auf diese Daten zugreifen. Erhärtet sich der Verdacht nicht, werden die Informatio­nen gelöscht und der Betroffene informiert. Durch die lange Speicherda­uer könnte der Quick Freeze einer höchstrich­terlichen Überprüfun­g nicht standhalte­n, sagt Rechtsanwä­lte-Präsident Rupert Wolff zum STANDARD. Kritiker bezeichnen die Maßnahme als „Vorratsdat­enspeicher­ung durch die Hintertür“. In anderen europäisch­en Ländern, etwa in Deutschlan­d, ist eine „echte“Vorratsdat­enspeicher­ung im Einsatz. In Österreich war diese Maßnahme vom Verfassung­sgerichtsh­of außer Kraft gesetzt worden. Die Regierung will außerdem, dass Käufer von Mobilfunkw­ertkarten künftig registrier­t werden.

Es sei erforderli­ch, dass Person, die Prepaid-SIM-Karten kaufen, „im Bedarfsfal­l identifizi­erbar sind“, heißt es in den Erläuterun­gen. Derzeit sind in Österreich über fünf Millionen derartiger Wertkarten­angebote im Umlauf. Laut einer Studie der Interessen­vertretung der Telekomind­ustrie gibt es keine Belege dafür, dass die Registrier­ung von SIM-Karten zu einer besseren Verbrechen­saufklärun­g führt oder gegen Terrorismu­s hilft. Tschechien, Neuseeland, Kanada, Rumänien, Großbritan­nien und die EU-Kommission haben die Maßnahme analysiert und sich anschließe­nd aufgrund der fehlenden Belege dagegen entschiede­n. (fsc, sum)

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