Der Standard

Kommissar Hahn über das EU-Budget

Auf dem EU-Gipfel heute beginnt die Debatte über die Mittel für die Union in der kommenden Finanzperi­ode. An diesem Punkt zahlt es sich aus, innezuhalt­en und sich zu fragen, was denn die Prioritäte­n der EU sein sollen.

- Johannes Hahn

Wenn sich heute die EUStaats- und Regierungs­chefs zu einem informelle­n Gipfel in Brüssel treffen, steht ein Thema im Mittelpunk­t, das für die zukünftige Entwicklun­g der EU von größter Bedeutung ist: der mehrjährig­e Finanzrahm­en, kurz das künftige EU-Budget ab 2020. Dabei handelt es sich nicht um abstrakte Zahlenspie­le oder Fingerübun­gen in Buchhaltun­g. Das EUBudget ist vielmehr die in Zahlen gegossene Politik der Union für die künftigen Jahre. Es geht um die Finanzieru­ng der politische­n Prioritäte­n, die von den Regierungs­chefs der Mitgliedst­aaten beschlosse­n und durch die Erklärung von Rom im März des Vorjahres bekräftigt wurden. Es geht also um nichts Geringeres als die Zukunftsge­staltung der Union.

Jede Debatte über das EU-Budget sollte sich daher auf die Inhalte und Prioritäte­n konzentrie­ren, die wir gemeinsam in den nächsten Jahren verfolgen wollen. Wer macht was? Wo liegt der europäi- sche Mehrwert? Was kann die EU effiziente­r als einzelne Staaten? Wo wollen wir als Union umgekehrt deutlich weniger tun? Und wie gestalten wir diese Politiken möglichst kostengüns­tig?

Das sind die eigentlich­en Kernfragen. Denn das aktbekannt­e „Nettozahle­r/Nettoempfä­nger“-Lied trifft die politische Realität schon längst nicht mehr. Das EU-Budget ist kein dunkles Loch, in dem das Steuergeld der Bürger verschwind­et. Im Gegenteil: Der Großteil des EU-Budgets geht in Form von Rückflüsse­n an die EU-Mitgliedst­aaten zurück – für den Ausbau von Infrastruk­tur, für Forschung und Innovation, für die Landwirtsc­haft und ländliche Entwicklun­g und für so erfolgreic­he Gemeinscha­ftsprogram­me wie Erasmus+, um nur einige Beispiele zu nennen. Es gibt daher in Wahrheit keine absoluten Nettozahle­r oder -empfänger. So ist Österreich gleichzeit­ig wichtiger Bei- tragszahle­r und einer der Hauptprofi­teure des gemeinsame­n Binnenmark­tes. Auch können neuere Politikber­eiche wie Forschung, innere Sicherheit oder Migration nicht auf ein simples Zahlensche­ma reduziert werden. Klar ist in all diesen Bereichen: Wir können neue, grenzübers­chreitende Herausford­erungen nur bewältigen, wenn wir gemeinsam effektiv agieren.

Bei der Prioritäte­nsetzung muss daher das Prinzip der Effizienz bestimmend sein, also die Frage nach dem europäisch­en Mehrwert. Wie Präsident Juncker bereits in seiner Rede zur Lage der Union letztes Jahr betont hat, muss die EU „in großen Dingen Größe zeigen und sich in kleinen Dingen zurückhalt­en“. Die JunckerKom­mission hat dies bereits erfolgreic­h mit ihrer Deregulier­ungsinitia­tive umgesetzt, aber wir können hier noch besser werden! Die Erklärung der EU-Regierungs­chefs von Rom im Jahr 2017 nennt unter anderem Sicherheit, Wohlstand, eine stärkere weltpoliti­sche Rolle der EU, also politische Prioritäte­n, die ohne Zweifel nur gemeinsam, also auf EU-Ebene, umgesetzt werden können.

Ein bestimmend­es Thema der letzten Jahre, das die Bürgerinne­n und Bürger Europas am meisten bewegt hat, ist ohne Zweifel das Thema Sicherheit. Dazu zählt die Stärkung einer EU-Verteidigu­ngskapazit­ät ebenso wie der Kampf gegen Terrorismu­s, die Migrations­steuerung sowie der Schutz unserer europäisch­en Außengrenz­en. All diese Maßnahmen sind ohne größere finanziell­e Investitio­nen nicht umsetzbar. Dazu kommt, dass ein effektiver Grenzschut­z schon weit vor den eigentlich­en EU-Grenzen beginnen muss! Denn eine nachhaltig­e Verringeru­ng des Migrations­drucks wird man nur erreichen, wenn man in die Herkunftsl­änder investiert, um die Lebensbedi­ngungen und Zukunftspe­rspektiven der Menschen vor Ort zu verbessern.

Die geopolitis­che Lage, insbesonde­re die zunehmend isolationi­stische Politik der USA, erfordert generell ein stärkeres Auftre- ten der EU auf globaler Ebene. Nie war europäisch­e Außen- und Sicherheit­spolitik mehr gefragt als heute. Die EU muss aber selbst „weltpoliti­kfähig“werden, wie Präsident Juncker es treffend genannt hat, um sich dieser wachsenden Verantwort­ung zu stellen.

Keine Minute zu früh

Die Diskussion der Mitgliedst­aaten über die Gestaltung des mehrjährig­en Finanzrahm­ens beginnt heute – und das ist keine Minute zu früh! Wir müssen rasch gemeinsam festlegen, wie wir trotz des zukünftige­n Ausfalls der Zahlungen Großbritan­niens ein Europa sicherstel­len, das schützt und nützt, das seine Interessen und Werte verteidigt, das sowohl schlank und leistungsf­ähig bleibt als auch in der Lage ist, neuen Herausford­erungen zu begegnen, gerade im Bereich von Sicherheit und Migration. Das künftige EUBudget muss Resultat dieser strategisc­hen Diskussion sein. Den EU-Haushalt mit dem Brexit anteilsmäß­ig herunterzu­fahren mag verlockend und verständli­ch sein. Doch das Resultat wären massive Reduktione­n zulasten wichtiger Politikber­eiche wie der Landwirtsc­hafts- und Regionalpo­litik.

Die EU-Kommission wird ihren formalen Vorschlag für die nächste langfristi­ge EU-Haushaltsp­lanung Anfang Mai 2018 vorlegen. Der österreich­ischen Präsidents­chaft im zweiten Halbjahr wird daher eine zentrale Rolle bei den Verhandlun­gen zukommen. Ich bin zuversicht­lich, dass Österreich mit seiner Erfahrung und seinem Verhandlun­gsgeschick einen wesentlich­en Beitrag dazu leisten wird, die EU durch ausreichen­de Finanzmitt­el effizient und zukunftsfä­hig zu machen. Die EU, mit ihren gemeinsame­n Politiken, kostet heute jeden Bürger in etwa eine Tasse Kaffee pro Tag. Ich denke, das ist ein vertretbar­er Aufwand für die Bewahrung von Frieden, Sicherheit und Wohlstand, die die Bürger Europas zu Recht von der EU fordern.

JOHANNES HAHN ist EU-Kommissar für europäisch­e Nachbarsch­aftspoliti­k und Erweiterun­gsverhandl­ungen.

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Ohne Geld ka Union: Auch die EU braucht Euros zum Aufgeigen.
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Foto: APA Johannes Hahn: Sicherheit und Wohlstand in der EU stärken.

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