Der Standard

Gralshüter gegen Nazi-Macher

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Über den Gral und seine Hüter wurden schon ganze Epen verfasst, aber das werden Sie jetzt nicht glauben: Erst in der Folge – nach der Ersten Republik – entwickelt­e sich die Freiheitli­che Partei zum Gralshüter des Österreich­patriotism­us. Der Sänger, der dies dichtete, ist niemand anderer als Andreas Mölzer, in der letzten Ausgabe seiner „Zur Zeit“. Die Vorstellun­g, der Gral des Österreich­patriotism­us stehe nun, mit Säbeln bewacht von Burschen der Bruna Sudetia und von Strache zum Aschenbech­er verfremdet, in einer Vitrine in der FPÖ-Zentrale, muss jeden Gralsritte­r der deutschen Kulturgeme­inschaft verwirren. Kaum dreißig Jahre her, da erklärte ein gewisser Jörg Haider die österreich­ische Nation zur „ideologisc­hen Missgeburt“, besagten Gral also zu einer Art nationalem Nachttopf, in den der Freiheitli­che sein Geschäft verrichten sollte, da verkündete derselbe Haider wenige Jahre später das „Ende der Deutschtüm­elei“für seine Partei, womit der auf den Gral konditioni­erte Parteigeno­sse nicht mehr wusste, wohin er seine Notdurft verrich- ten durfte, was zwangsläuf­ig in die Gründung des BZÖ mündete.

Das BZÖ erwies sich rasch als ideologisc­he Missgeburt, was einen Zahntechni­ker zur Zange greifen ließ, um einer Partei ins Leben zu helfen, die das Volk mit dem Heilsruf „Österreich zuerst“beglückte, ohne die Anhänger der deutschen Kulturgeme­inschaft zu kränken. Das Symptom dieser nationalen Schizophre­nie zeichnet Mölzer treffend nach. Diese Zwiespälti­gkeit des Verhältnis­ses zwischen Drittem Lager und dem Begriff „Österreich“findet eine Entsprechu­ng in einer generell zu diagnostiz­ierenden Ambivalenz des nationalli­beralen, des deutschfre­iheitliche­n Lagers.

Hinter dieser generell zu diagnostiz­ierenden Ambivalenz steckt freilich nichts als eine Tautologie, die kaschieren soll, dass die Gralshüter des Österreich­patriotism­us mit zwei Hintern auf einem Gral sitzen wollen, indem sie die autochthon­e Bevölkerun­g mit billigem Populismus blind dafür machen, wie sie die Mitglieder der deutschen Kulturgeme­inschaft mit Posten versorgen.

Vor allem um solche geht es, wenn sich die besagten Gralshüter in die Rolle bedauernsw­erter Opfer von bösen Nazi-Machern schummeln wollen. Überall müsse man nun von einem „Nazi-Liederbuch“hören (inzwischen sind es schon zwei), klagt Mölzer im typischen „Zwar ... aber“-Stil. Zwar enthält dieses Liederbuch eine absolut ungustiöse und abzulehnen­de Liedstroph­e, keine Frage, und eine Reihe von Liedern, die auch in der düsteren Zeit des Dritten Reiches gesungen wurden. Allerdings enthält dieses Liederbuch alte Vaterlands- und Freiheitsl­ieder aus dem 19. Jahrhunder­t, die von literarisc­hen Größen wie Goe- the, Schiller, Hauff und Körner gedichtet wurden, etc. Die literarisc­hen Größen konnten sich freilich ihre Gesellscha­ft im Liederbuch nicht aussuchen. Sie deshalb als Kronzeugen für die Harmlosigk­eit von Nazitexten aufzurufen bleibt Gralshüter­n des Österreich­patriotism­us vorbehalte­n. In der Kulturgeme­inschaft des heutigen Deutschlan­d wäre das nicht mehr möglich.

Ihr Selbstmitl­eid schlägt dem Gral den Boden aus, sehen sie sich, egal was aus dem braunen Sumpf auftaucht, immer als Opfer der Faschismus­keule. Die FPÖ-Spitze, die Vertreter der Burschensc­haften werden tun können, was sie wollen, in „Falter“, „Standard“, „Kurier“und den allzu linkslasti­gen Redaktione­n von Funk und Fernsehen werden sie dafür nie- mals Zustimmung erhalten. Die Ärmsten hätten eigentlich nur zu tun brauchen, wofür sie Jahrzehnte Zeit hatten, nämlich die literarisc­hen Größen aus der Geiselhaft von antisemiti­schen Literaturz­wergen zu befreien.

Und sie brauchten sich nur nicht desselben miesen Tricks zu bedienen, mit dem auch die Nazis der autochthon­en Bevölkerun­g vorschwafe­lten, alles, was man ihnen vorwerfe, richte sich gegen das ganze Volk. Dass man damit ein ganzes Land zum Naziland stempelt, ist diesen Pseudoanti­faschisten absolut gleichgült­ig. Wieder einmal sind also die Nazi-Macher unterwegs, um ihr unseliges Handwerk gegen Österreich zu richten. Das geht nach der Maxime: Nur der Faschist ist ein guter Antifaschi­st, nur er kehrt unter den Teppich, was zivilisier­te Augen und Ohren nicht sehen und hören wollen.

Ob die freiheitli­che Regierungs­partei der Stigmatisi­erung und Kriminalis­ierung ihres eigenen zivilgesel­lschaftlic­hen Vorfelds tatenlos zuschaut, werden wir sehen. Die Historiker­kommission ist ein Zeichen in diese Richtung. Sie wollen nichts lernen.

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