Ermordung eines Aufdeckerjournalisten erschüttert Slowakei
Gemeinsam mit Verlobter erschossen Recherchen über Korruption, Steuerbetrug
Bratislava – Spitzenpolitiker in der Slowakei haben sich am Montag bestürzt über den Mord an dem 27-jährigen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten gezeigt. Beide waren von der Polizei am späten Sonntagabend in ihrem Haus etwa 50 Kilometer östlich von Bratislava erschossen aufgefunden worden. Der junge Journalist hatte seit 2015 für das OnlineNachrichtenportal aktuality.sk gearbeitet und dort immer wieder über Fälle von Steuerbetrug und Korruptionsaffären – auch im Umfeld von Politikern – berichtet.
Präsident Andrej Kiska forderte schnellstmögliche Aufklärung. Premier Robert Fico sprach von einer „beispiellosen Attacke gegen Pressefreiheit und Demokratie“, sollte sich der Zusammenhang zwischen den Morden und Kuciaks journalistischer Tätigkeit bestätigen. Auf einer Pressekonferenz am Montagvormittag hatte Polizeipräsident Tibor Gašpar erklärt, Kuciaks Arbeit als Reporter sei „das wahrscheinlichste Motiv“für den Doppelmord.
Zuletzt hatte Kuciak über verdächtige Transaktionen rund um eine Luxusresidenz in Bratislava berichtet. Ein Unternehmer, der mit der Causa in Zusammenhang gebracht wurde, soll ihn daraufhin bedroht haben. Journalisten kritisierten auf der Pressekonferenz am Montag die Untätigkeit der Behörden. (red)
In der Slowakei sorgt der Mord an dem 27-jährigen investigativen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten für Entsetzen. In der Nacht auf Montag fand die Polizei die Leichen der beiden in ihrem Haus in Veľká Mača, etwa 50 Kilometer östlich der Hauptstadt Bratislava. Zuvor hatten Familienangehörige die Behörden alarmiert, die das Paar vermissten.
Polizeiangaben zufolge wurden Kuciak und seine Partnerin erschossen. Der Tod des jungen Mannes hänge „wahrscheinlich mit seiner journalistischen Tätigkeit zusammen“, erklärte Polizeipräsident Tibor Gašpar am Montag auf einer Pressekonferenz.
Kuciak hatte für das slowakische Onlinemagazin aktuality.sk immer wieder über Steueraffären umstrittener Unternehmer geschrieben, von denen einige im Umfeld einflussreicher Politiker auftauchten. Zuletzt hatte er sich in seiner Arbeit den verdächtigen Finanztransaktionen rund um eine Luxusresidenz in Bratislava gewidmet. Dem Bericht zufolge sollte eine am Bau beteiligte Immobilienfirma in den Konkurs geschickt werden, ohne dass zuvor ihre Schulden beglichen worden wären.
Drohungen gegen Kuciak
Der Unternehmer Marián K., der mit der Causa in Zusammenhang gebracht wurde, soll Kuciak wegen seiner Artikel bedroht haben: „Ich werde mich Ihnen widmen – Ihnen persönlich, Ihrer Mutter, Ihrem Vater, Ihren Geschwistern“, habe er laut Informationen der Zeitung Denník N angekündigt.
Kuciak erstattete wegen der Drohungen Strafanzeige gegen K. Im Herbst beklagte er sich dann in den sozialen Netzwerken, dass seit der Anzeige „44 Tage vergangen“seien, sich aber offenbar noch niemand mit dem Fall befasst habe.
Auch auf der Pressekonferenz von Polizeipräsident Gašpar klagten am Montag mehrere Journalisten über Untätigkeit der Behörden. Gašpar hatte dort versprochen, „maximale Kapazitäten einzusetzen“, um den Fall Kuciak aufzuklären. „Warum haben Sie nicht maximale Kapazitäten eingesetzt, um seinen Tod zu verhindern?“, fragte eine Reporterin.
Im Zusammenhang mit der genannten Luxusresidenz war auch bereits der umstrittene Unternehmer Ladislav B. ins Visier der Ermittler geraten. Der Vorwurf: B. soll dort Wohnungen besessen und bei ihrem Verkauf unrechtmäßig die Mehrwertsteuer rückgefordert haben. Brisant war der Fall vor allem deshalb, weil B. unter anderem auch Geschäftsbeziehungen zu Innenminister Robert Kaliňák und Premierminister Robert Fico unterhielt. Beide gehören der sozialdemokratischen Partei Smer an.
Panama Papers
Kuciak berichtete jedoch auch über andere Affären, etwa über den angeblichen Subventionsbetrug eines Unternehmers und früheren Mitglieds der konservativen Oppositionspartei SaS oder über die sogenannten Panama Papers. Auch die Journalistin Daphne Caruana Galizia, die im vergangenen Oktober in Malta durch eine Autobombe getötet wurde, nachdem sie unter anderem Regierungschef Joseph Muscat Korruption vorgeworfen hatte, war im Zuge ihrer Recherchen zu den Panama Papers bekannt geworden.
Zahlreiche slowakische Politiker zeigten sich am Montag erschüttert vom Mord an Ján Kuciak. Wenn sich der Verdacht auf einen Zusammenhang zu Kuciaks Recherchen erhärte, müsse man von einem „Angriff auf die Pressefreiheit und die Demokratie in der Slowakei“sprechen, sagte Premier Robert Fico. Staatspräsident Andrej Kiska sprach von „kaltblütigem Mord“. Nun gelte es, die Täter so schnell wie möglich zu fassen und „die Sicherheit aller Journalisten zu gewährleisten“.
Auch Tschechiens Premierminister Andrej Babiš, selbst gebürtiger Slowake, meldete sich zu Wort: „Im Leben hätte ich nicht gedacht, dass so etwas im Jahr 2018 in der Slowakei passieren kann“, schrieb er via Twitter. Der Verlag Ringier Axel Springer Slovakia, zu dem aktuality.sk gehört, erklärte per Aussendung, man werde sich auch künftig nicht davon abhalten lassen, Missstände aufzudecken.