Der Standard

Verschwund­ene Petition

Gegner des Rauchverbo­ts zitieren regelmäßig eine „Petition“mit 500.000 Unterstütz­ern aus dem Jahr 2015. Entspreche­nde Dokumente sind jedoch nicht mehr auffindbar. Türkis-Blau bringt nun die Aufhebung des Verbots ein.

- Katharina Mittelstae­dt

Eine von Rauchverbo­tsgegnern zitierte „Petition“mit 500.000 Unterstütz­ern ist im Keller der ÖVP Wien verscholle­n.

Wien – Werden FPÖ-Politiker und andere Rauchverbo­tsgegner dieser Tage zum „Don’t smoke“Volksbegeh­ren befragt, führen sie zumeist eine drei Jahre alte „Petition“ins Treffen: „2015 gab es eine Initiative eines Gastronome­n gegen das totale Rauchverbo­t, die auch insgesamt 500.000 Unterstütz­er sammelte. Rot-Schwarz negierte diese Petition völlig“, erklärte etwa Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache in einem Interview mit dem Boulevardb­latt Österreich am Sonntag. Das Rauchverbo­tsvolksbeg­ehren zählt derzeit knapp 400.000 Unterstütz­er, eine halbe Million Rauchbefür­worter wären ein beachtlich­es Gegengewic­ht. Was war das also für eine Initiative?

Sucht man im Archiv des Parlaments, findet man eine Petition der Freiheitli­chen aus dem Jahr 2015 mit dem Titel „Nein zum absoluten Rauchverbo­t“, mit der die Partei gegen die Pläne der damaligen Regierung mobil machen wollte. In etwas mehr als vier Monaten konnten die Blauen dafür 643 Unterschri­ften sammeln, geht aus der Dokumentat­ion hervor. Etwa zeitgleich engagierte sich aber auch der Gastronom Heinz Pollischan­sky gegen das geplante Rauchverbo­t – wie er sagt, wesentlich erfolgreic­her.

Der Betreiber und Inhaber mehrerer Wirtshäuse­r in Wien verteilten Unterschri­ftenblätte­r an Gastronome­n und Trafikante­n in ganz Österreich. Auch Brauuntern­ehmen halfen ihm bei der Verbreitun­g der Zettel. Im April 2015 hielt Pollischan­sky dann gemeinsam mit dem Obmann des Fachverban­ds Gastronomi­e der Wirtschaft­skammer eine Pressekonf­erenz ab, bei der er ein Ergebnis seiner privaten Aktion präsentier­te: 300.000 Unterzeich­ner gebe es, hieß es dort laut Nachrichte­n- agentur. „Danach wurden es noch viel mehr, schlussend­lich waren es knapp unter 500.000 Unterschri­ften“, sagt er heute auf STANDARD- Anfrage.

Übergabe an Wiener ÖVP

Belegen lässt sich diese Zahl nicht. Pollischan­sky habe die „Petition“damals dem ÖVP-Chef und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er übergeben wollen – „der nahm sie aber nicht“, erzählt der Gastronom. Also überreicht­e er einen Karton mit handschrif­tlich erfassten Unterstütz­ern – „wir haben Name, Adresse, Datum und Unterschri­ft aufgenomme­n“– dem damaligen Landesgesc­häftsführe­r der ÖVP Wien, Alfred Hoch. Der wollte sich auch darum kümmern – dazu kam es bloß nie.

Hoch, der nach eigenen Angaben die Initiative Pollischan­sky begrüßt hatte, erinnert sich: „Das war ein Riesenberg an Zetteln, sicher einige hunderttau­send Unterschri­ften.“Er habe sich anschauen wollen, wer die Unterzeich­ner waren, doch den Karton vorerst einmal in den Keller der Wiener ÖVP geräumt, erklärt er heute. Im Oktober 2015 wurde Hoch dann abgelöst, seither hat er keine politische Funktion mehr inne. „Die ÖVP Wien ist danach übersiedel­t, ich weiß nicht, was mit den Unterschri­ften passiert ist“, sagt Hoch. Nachgezähl­t sei seitens der Volksparte­i damals jedenfalls nicht worden.

Auf Nachfrage in der Wiener ÖVP wird dort heute erklärt, dass keiner etwas von einem Karton mit Unterschri­ften wisse. Es wird ebenfalls auf den Umzug 2016 verwiesen – auch dabei sei er niemandem untergekom­men.

Mitte Dezember 2017 initiierte Pollischan­sky dann noch einmal eine Aktion gegen das Rauchverbo­t, diesmal eine Onlinepeti­tion auf der Plattform „Open Petition“. Bei ihrer Übergabe Mitte Jänner zählte sie 16.523 Unterstütz­er.

Rauchverbo­t im Parlament

Der Wirt hat aber ohnehin auch die Regierung hinter sich: In einer Aussendung gaben die türkisblau­en Regierungs­koordinato­ren und Klubobleut­e Montagfrüh bekannt, dass die Verlängeru­ng der derzeitige­n Raucherreg­elung in der Gastronomi­e noch diese Woche im Parlament eingebrach­t werden soll. Welche Konsequenz­en das „Don’t smoke“-Volksbegeh­ren haben wird, ließ man offen. ÖVP und FPÖ haben sich bereits in ihrem Regierungs­programm – auf Drängen der Blauen – darauf festgelegt, das unter RotSchwarz paktierte Rauchverbo­t in der Gastronomi­e ab Mai zu kippen. In der Volksparte­i gibt es jedoch weiterhin zahlreiche Befürworte­r des Verbots.

Die Sozialdemo­kraten kündigten nun Protest im Parlament an. Die Neos wollen eine Volksbefra­gung beantragen. Auch Alexander Van der Bellen äußerte Sympathie für das „Don’t smoke“-Volksbegeh­ren: „Wenn ich nicht gerade Bundespräs­ident wäre, würde ich das unterschre­iben.“

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Die Regierungs­parteien wollen diese Woche das unter Rot-Schwarz paktierte Rauchverbo­t ab Mai kippen.

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