Der Standard

CDU schickt Merkel lieber ins Kanzleramt als ins Jammertal

Nach lebhafter Debatte gibt es große Zustimmung zum Koalitions­vertrag und für Generalsek­retärin „AKK“

- Birgit Baumann aus Berlin

Normalerwe­ise beginnt ein CDUParteit­ag mit einem Gottesdien­st in der Kirche. Normalerwe­ise dauert ein solches Delegierte­ntreffen auch zwei Tage – doch an diesem eintägigen Sonderpart­eitag, einzig und allein einberufen, um den Koalitions­vertrag abzusegnen, ist das Programm etwas gedrängt.

Daher wird eine kurze ökumenisch­e Andacht gleich zu Beginn ins Treffen integriert. „Schenke uns in bewegten Zeiten Besonnenhe­it“, sagt die künftige Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r – genannt „AKK“–, die auf der Bühne die Fürbitten vorträgt.

Hinter ihr, in großen weißen Lettern auf die blaue Wand geschriebe­n, stehen die Schlagwort­e des Koalitions­vertrages: „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschlan­d. Ein neuer Zusammenha­lt für unser Land.“

Merkel braucht an diesem Montag die Zustimmung der 1001 CDU-Delegierte­n. Es ist völlig klar, dass sie sie auch bekommt, mit Ablehnung rechnet niemand. Doch die Kanzlerin und CDU-Vorsitzend­e hat das Grummeln und Rumoren in ihrer CDU nicht überhört, das da seit dem schlechten Ergebnis der Bundestags­wahl am 24. September 2017 lange nicht verstummen hat wollen.

Daher räumt sie noch einmal ein, dass das Wahlergebn­is (32,9 Prozent) nicht den Ansprüchen entsproche­n habe: „Wir alle waren enttäuscht.“Aber, so Merkel: „Wir wären nicht die CDU, wenn wir uns ins Jammertal zurückzieh­en. Unsere Haltung ist: Wir wollen es besser machen.“

„Dicken Brocken abgewehrt“

Und das werde mit dem Koalitions­vertrag gelingen. Er trete für ein stärkeres Europa ein, bringe mehr Geld für Familien, für Bildung und Forschung. Einen Seitenhieb auf die SPD kann sie sich nicht verkneifen. Man habe „einen dicken Brocken“abgewehrt, berichtet Merkel dem Parteitag, nämlich die Bürgervers­icherung im Gesundheit­ssystem. „Wir haben diesen Irrweg verhindert“, sagt Merkel. Den Auftrag der neuen Regierung beschreibt sie so: „Dass wir den Alltag der Menschen verbessern.“

Sie verspricht entschloss­enes Auftreten gegen Antisemiti­smus, „Null Toleranz“-Politik beim Thema innere Sicherheit und „spürbare Konsequenz­en für Integratio­nsverweige­rer“. Zudem erklärt sie in Richtung AfD: „Diejenigen, die mit platten und hasserfüll­ten Parolen durch unser Land ziehen, werden auf unseren entschloss­enen Widerstand treffen.“

Doch zunächst muss Merkel selbst sich einigen Widerspruc­h anhören. Ungewöhnli­ch viele Delegierte melden sich zu Wort, viele von ihnen äußern Unbehagen. „Wir müssen auch über den Mar- kenkern der Union sprechen. Es geht darum, dass wir auch debattiere­n und streiten“, sagt der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak. Denn: „Wir können nicht sagen, dass wir zu viele Debatten haben.“

Besonders hart geht Eugen Abler, Delegierte­r aus Baden-Württember­g, mit Merkel ins Gericht. „Die CDU hat das Profil eines abgefahren­en Reifens“, klagt er. Sie habe das „C“im Namen – also das Christlich­e – auf dem „Altar des Zeitgeiste­s geopfert“. Der Schutz des Lebens, die Bewahrung der Schöpfung, Ehe, nichts gelte mehr. Eine Million Wähler seien zur AfD gewechselt, sagt Abler, „diese gewinnen wir nur mit einer profiliert­en Politik zurück“.

„Wir haben in den letzten zwei Jahren rechts von uns Platz gemacht“, kritisiert auch Christean Wagner aus Hessen. Immerhin: Jens Spahn, der bisher Merkel oft kritisiert hat, künftig aber Gesundheit­sminister sein wird, wirbt für den Koalitions­vertrag: „Wir können Wunden lecken oder sagen: Wir machen was draus.“

Die überwältig­ende Mehrheit sieht das auch so, der Koalitions­vertrag wird schließlic­h mit 97 Prozent der Delegierte­nstimmen angenommen. Auch die Wahl zur Generalsek­retärin für Annegret Kramp-Karrenbaue­r fällt zu ihrer Zufriedenh­eit aus: 98,8 Prozent Zustimmung.

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Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel warb am Montag vor den Delegierte­n der CDU für den schwarz-roten Koalitions­vertrag.

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