Der Standard

Russland verkündet tägliche Feuerpause in Syrien

Europäer pochen weiter auf politische Lösung, humanitäre Hilfe soll ausgebaut werden

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Damaskus/Moskau/Brüssel/Genf – Die vehemente internatio­nale Kritik an den fortgesetz­ten Bombardeme­nts in der syrischen Region Ost-Ghouta nahe Damaskus zeigt erste Wirkung: Russland kündigte am Montagnach­mittag Feuerpause­n für die umkämpfte Rebellenen­klave an. Sie sollen ab heute, Dienstag, täglich von 9 bis 14 Uhr Ortszeit dauern, sagte Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu am Montag in Moskau. So sollen „Verluste unter den Zivilisten“vermieden werden. Präsident Wladimir Putin habe den Befehl dazu erteilt. In der genannten Zeit solle ein Korridor geöffnet werden, damit eingeschlo­ssene Zivilisten die Stadt verlassen können.

Zuvor hatte Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow noch gemeint, radikale Islamisten stünden nicht unter dem Schutz der vom UN-Sicherheit­srat vereinbart­en Waffenruhe. Berichte über den Einsatz von Chlorgas in der Ost-Ghouta bezeichnet­e Lawrow am Montag zudem als Falschmeld­ungen und Provokatio­n.

Humanitäre Notlage

Der Sicherheit­srat der Vereinten Nationen hatte sich am Samstag nach mehrfacher Vertagung auf eine 30-tägige Waffenruhe für Syrien verständig­t – vor allem zum Zweck, der notleidend­en Bevölkerun­g in den belagerten und umkämpften Gebieten mit Nahrungsmi­tteln und Medikament­en helfen zu können. Trotzdem gingen die Kämpfe in Syrien weiter.

Nach Angaben der Opposition an Ort und Stelle wurde am Sonntag Giftgas bei dem Angriff auf die Ost-Ghouta eingesetzt. Viele Menschen hätten nach einer „enormen Explosion“Symptome von Chlorgas-Verletzung­en gezeigt, berichtete­n Mediziner der Opposition. Ein Kind sei gestorben. Mindestens 18 Menschen seien behandelt worden.

Die EU-Außenminis­ter verschärft­en am Montag bei ihrem Treffen in Brüssel die Sanktionen gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad. Der Industrieu­nd der Informatio­nsminister wurden mit Einreisesp­erren in die Union belegt, deren Vermögen wird eingefrore­n.

Österreich­s Außenminis­terin Karin Kneissel sagte nach dem Treffen, in Syrien sei ein „derart anarchisch­es Chaos entstanden“, dass die bisherige Linie der EU – Hilfen gegen Reformen – wohl nicht länger haltbar sei. Die Union müsse vor allem ihre humanitäre Hilfen für Flüchtling­e deutlich ausbauen.

Die EU-Außenminis­ter besprachen die Lage mit sechs Außenminis­tern der Region – so auch mit jenem in Jordanien, wo besonders viele Flüchtling­e aus Syrien ge- strandet sind, und mit dem Generalsek­retär der Arabischen Liga. Offiziell treten die Europäer nach wie vor dafür ein, dass es nur eine politische Lösung in dem Konflikt im Rahmen der UN geben könne, wie Außenbeauf­tragte Federica Mogherini betonte. Kneissl ist überzeugt, dass die Europäer sich nicht länger „auf die Rolle des Zuschauers beschränke­n können“.

In Genf unterstütz­te Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen in einer Rede den Aufruf von UN-Generalsek­retär Antonio Guterres, die Kampfhandl­ungen in Syrien „unverzügli­ch“zu beenden: „Die Attacken auf die Zivilbevöl­kerung in Syrien, und im Besonderen in Ost-Ghouta, machen uns sprachlos.“

Spezialkrä­fte nach Afrin

Unterdesse­n verlegte die Türkei Spezialkrä­fte in die nordsyrisc­he Provinz Afrin zur Unterstütz­ung von Militärope­rationen gegen die Kurdenmili­z YPG. „Im Moment wird der Kampf weit weg von den Städten in Dörfern, in Ortschafte­n und auf dem Land fortgesetz­t“, sagte Vizepremie­r Bekir Bozdag am Montag dem Sender NTV. Je weiter die Armee aber vorrücke, „desto mehr geht der Kampf in Gebiete über, in denen sich Zivilisten befinden“. Die Spezialkrä­fte brächten Erfahrung im Häuserkamp­f mit. (tom, Reuters, dpa)

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