Wird Sachwalterreform ohne Budget umgesetzt?
Ministerien streiten weiter um Finanzierung, Betreuerverbände fühlen sich „verarscht“
Wien – „Wir werden im wahrsten Sinn des Wortes verarscht“– Martin Ladstätter vom Verein Selbstbestimmt Leben sprach am Montag vor Journalisten aus, was sich viele Behindertenvertreter angesichts der verworrenen Situation zur Sachwalterreform denken. Als neueste Variante geistert nun nämlich folgende Lösung herum: Das neue Erwachsenenschutzgesetz soll nicht verschoben werden, sondern (wie von allen Parlamentsparteien im Vorjahr beschlossen) am 1. Juli in Kraft treten – allerdings ohne die für die Umsetzung benötigte Finanzierung. Zuletzt war von 17 Millionen Euro pro Jahr die Rede.
Nach Einschätzung der betroffenen Vereine, ohne die eine Umsetzung unmöglich ist, ist das die schlimmste Variante von allen. „Ohne Geld ka Musi. Ohne finanzielle Mittel kann das Gesetz nicht umgesetzt werden“, betonte Behindertenratspräsident Herbert Pichler. Es nütze nichts, wenn das Gesetz in Kraft tritt, es müsse auch „mit Leben erfüllt“werden.
Prüfung von 65.000 Fällen
Mit Leben erfüllen heißt unter anderem, dass viele neue Mitarbeiter für sogenannte Clearingstellen eingestellt werden müssen. Auch bei Pflegschaftsgerichten ist eine Aufstockung des Personals notwendig. Innerhalb des ersten Jahres müssen alle rund 65.000 derzeit bestehenden Sachwalterschaften überprüft werden – ob also ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter weiterhin nötig ist oder eben Alternativen bestehen.
Der Knackpunkt der umfassenden Novelle ist ja, dass die Handlungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigung (auch altersbedingt) nicht mehr pauschal eingeschränkt werden soll. Stattdessen soll die Vertretung in abgestuften Formen erfolgen, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt.
Wie der STANDARD berichtete, mussten Sachwaltervereine bereits zugesagte Jobs wieder absagen, weil es (voraussichtlich) kein Geld vom Bund gibt. Eine Betroffene, die anonym bleiben möchte, erklärt, dass sie von 50 gestrichenen Jobs wisse. Sie sei enttäuscht: „Ich habe Soziale Arbeit studiert und mein Studium heuer abgeschlossen. In den Lehrveranstaltungen war die geplante Gesetzesänderung Thema, die hinsichtlich der Selbstbestimmung von betroffenen Menschen eine enorme Verbesserung verspricht.“Diese ver- mehrte Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen sei auch ein geforderter Punkt in der UN-Behindertenrechtskonvention, die von Österreich unterzeichnet wurde.
Die Regierung will zwar grundsätzlich an der Novelle festhalten, doch aus den Ministerien kommen unterschiedliche Statements: Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ließ mitteilen, dass sie von der vor wenigen Tagen angekündigten Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes überrascht gewesen sei. Am Zug sei nun Justizminister Josef Moser (ÖVP). Dieser müsse schauen, welche Dinge er priorisiere.
Im Büro von Moser wiederum hieß es am Montag lediglich, dass die Finanzierung noch offen sei. Vor wenigen Tagen hatte Moser erklärt, dass er die entsprechende Bedeckung durch das Finanzministerium brauche. Was Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) aber bisher abgelehnt hat. Das Justizressort habe durch Umschichtungen in dessen Budget diese Aufgabe zu gewährleisten, spielte Löger den Ball zu Moser zurück.
Runder Tisch gefordert
Die Opposition schäumt:„Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten werden hinund hergeschoben“, so Ulrike Königsberger-Ludwig, SPÖ-Sprecherin für Menschen mit Behinderung. Auch Neos, Grüne und die Volksanwaltschaft äußerten in den vergangenen Tagen massive Kritik. Peter Kolba, Klubobmann und Gesundheitssprecher der Liste Pilz, fordert einen Runden Tisch mit allen Beteiligten. (APA, simo)