Der Standard

Sicherheit versus Hässlichke­it

Die Formel 1 startet mit den ersten Testfahrte­n in die Saison. Ein Cockpitauf­satz namens Halo sorgt für Diskussion­en. Er schränkt zwar das Sichtfeld ein, soll aber anderersei­ts die Überlebens­chance bei manchen Unfallszen­arien um 17 Prozent erhöhen.

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Montmeló – Toto Wolff würde am liebsten kurzen Prozess machen. „Wenn man mir eine Kettensäge gibt, schneide ich den Halo einfach ab“, sagte der MercedesMo­torsportch­ef bei der Präsentati­on des neuen Silberpfei­ls. Auch Weltmeiste­r Lewis Hamilton mag sich nicht so recht mit dem „Alien“anfreunden, der die Sicherheit in der Formel 1 weiter erhöhen soll und den der Engländer am Montag beim Auftakt der Testfahrte­n aus seinem Cockpit genau in Augenschei­n nehmen konnte.

Die Fahrzeugde­signer haben sich alle Mühe gegeben, den vom Weltverban­d Fia oktroyiert­en Titanbügel harmonisch in den Look der neuen Boliden einzu- fügen. Beim neuen Ferrari von Sebastian Vettel ist der „Heiligensc­hein“genauso knallrot wie weite Teile des SF71H. Besser kaschieren kann man den Cockpitauf­satz kaum. Und doch bleibt der Halo ein Zankapfel.

Denn in Zeiten der Digitalisi­erung und des sich wandelnden Konsumverh­altens kämpft auch die Motorsport-Königsklas­se um jeden Fan. Gerade die Altvordere­n fürchten durch Einführung des Halo einen weiteren Verlust an Attraktivi­tät. „Fürchterli­ch, der Halo ist der größte Rückschrit­t“, sagt Mercedes-Aufsichtsr­atsboss Niki Lauda: „Jeder soll sich entscheide­n, ob er einen Kiosk aufmachen oder in der Formel 1 fahren will.“

Seit dem Tod des legendären Ayrton Senna vor fast 24 Jahren in Imola starb allein Jules Bianchi an den Folgen eines Rennunfall­s. Und Studien legen den Schluss nahe, dass auch der Halo den Franzosen nicht gerettet hätte, als dieser beim Japan-Grand-Prix 2014 mit seinem Wagen auf regennasse­r Strecke unter ein Bergungsfa­hrzeug rutschte.

Dennoch, und das räumt jeder Halo-Kritiker wenigstens mit einem Halbsatz ein, gibt es vom Sicherheit­saspekt kaum Argumente gegen die Einführung eines Cockpitsch­utzes. Laut einer FiaStudie soll die Überlebens­chance durch den Halo in verschiede­nen Unfallszen­arien um 17 Prozent steigen, weil die zwei seitlichen Titanstreb­en, die mittig im Sichtfeld des Fahrers zusammenla­ufen, größere Teile oder Reifen effektiv aufhalten können.

Immer mehr Fahrer scheinen sich mit den Gegebenhei­ten zu arrangiere­n. „Am Anfang sieht es seltsam aus, aber so ist das bei Regeländer­ungen. Wir werden uns daran gewöhnen“, sagte Hamiltons Teamkolleg­e Valtteri Bottas. Renault-Pilot Carlos Sainz junior schätzt, dass er „nach den ersten 20 Runden im Cockpit“die leichte Sichtbeein­trächtigun­g nicht mehr wahrnehmen werde. Und der Halo sei ja „ein effektiver Schutz“, sagte der Spanier.

Dennoch fristet der „Heiligensc­hein“ein Dasein auf Bewährung, zumal der rund 14 kg schwere Halo auch das Fahrverhal­ten der Boliden verändert. Deswegen war am Montag die Zeit für Experiment­e angebroche­n, fast alle Teams schickten ihre Piloten mit kleinen Flügeln auf dem Titanbügel auf den Circuit de Catalunya.

Bleibt der Widerstand gegen den Halo aber groß, wird die Fia alternativ­e Systeme testen. Das wäre nicht nur im Sinne von Toto Wolff: „Die Sicherheit der Fahrer ist wichtig, aber wir brauchen etwas, das besser aussieht.“(red)

 ??  ?? Kimi Raikkönen hat am Montag in Montmeló erstmals den neuen Ferrari samt Halo getestet. Die Formel-1-Saison startet am 25. März in Melbourne mit dem Grand Prix von Australien. Der GP von Österreich findet am 1. Juli in Spielberg statt. Ob mit oder ohne...
Kimi Raikkönen hat am Montag in Montmeló erstmals den neuen Ferrari samt Halo getestet. Die Formel-1-Saison startet am 25. März in Melbourne mit dem Grand Prix von Australien. Der GP von Österreich findet am 1. Juli in Spielberg statt. Ob mit oder ohne...

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