Der Standard

Donnergrol­len an der Weggabelun­g

Das deutsch-amerikanis­che Duo Hackedepic­ciotto gastiert heute im Wiener Rhiz

- Karl Fluch

Wien – Die Vergangenh­eit wiegt schwer. Nicht jeder braucht da eine Historiker­kommission, um das zu checken. Alexander Hacke zum Beispiel. Der weiß das, der kommt seiner nicht aus. Seine Vergangenh­eit besteht aus schweren Zeichen, akustische­m Grenzgänge­rtum, jugendlich­em Irrsinn und Rücksichts­losigkeit gegen sich selbst. Alexander Hacke war und ist Mitglied bei den Einstürzen­den Neubauten. Einst Bilderstür­mer und Brutalinsk­is aus der Mauerstadt, heute Stars in der Elbphilhar­monie – wobei da natürlich der Bandname und die Baugeschic­hte des Hauses augenzwink­ernd vermählt wurden.

Neben den Neubauten geht Hacke immer auch anderen Neigungen nach. Etwa mit seiner Gattin Danielle de Picciotto. Die ist amerikanis­che Künstlerin, Globetrott­erin und war 1989 Miterfinde­rin der Love Parade in Berlin. Die beiden musizieren unter dem HalbeHalbe-Signum Hackedepic­ciotto. Heute, Dienstag, gastiert das Duo im Wiener Rhiz.

Vorgestell­t wird das aktuelle Album der beiden. Es heißt Menetekel – schon wieder schwere Zeichen.

Ein Menetekel ist eine unheilverk­ündende Warnung. Spätestens seit Hieronymus Bosch weiß man, dass sich damit gut Kunst machen lässt, denn das Unheil ist als Lebensthem­a mindestens gleich hoch angeschrie­ben wie Amore – und nicht selten bedingt das eine das andere.

Nun sind der 53-jährige Hacke und seine 54-jährige Frau in einem Alter, in dem sie wissen, wie man Kinder erschreckt. Hacke hat das mit Neubauten gelernt und hat nebenbei mit der australisc­hen Band Crime and the City Solution das Alte Testament als Donnerwett­er vertont. Bei der Wiederkehr der Band 2014 hat de Picciotto die Bühnenshow gestaltet.

In dem ehelichen Projekt bringt sich die Multimedia­künstlerin ebenfalls von dieser Seite ein. Dazu trägt sie Texte vor, schraubt an der Elektronik – während Hacke sich den Donnergott gibt. Sein Grollen durchzieht viele Stücke auf Menetekel. Lässt er aus, wird es schwierig. Ein Stück wie Crossroads kippt ins Grotesk-Esoterisch­e. Da gibt es kein Halten mehr: Das finale The House of Shadows with the Sound of Light ist eine wurzelsepp­ige Länglichke­it an der 20-Minuten-Marke, die ohne milde stimmenden Substanzen nur schwer tolerierba­r ist. Doch die beiden können auch anders, besser. Hacke konvertier­te bei den Neubauten ja von der Gitarre zum Bass, einige Stücke hier unterfütte­rte er mit ordentlich Wumme.

Da erfüllt sich das Menetekel, da kommt es zu erhebenden Momenten. Ein Songtitel wie Jericho schreit nachgerade nach Grimmigkei­t und steht in Verwandtsc­haft mit der traditione­ll instrument­ierten Kunst erwähnter Crime and the City Solution. Auch das Stück Nosce Te Ipsum beweist, dass das Monster in Hacke nur schlummert, nicht entschlafe­n ist. Diese Stücke besitzen eine cineastisc­he Qualität und sind so etwas wie die Hits des Albums. Live wird sich Hackes Temperamen­t auf die Sprengkraf­t dieser Musik wohl zusätzlich auswirken. Denn die Vergangenh­eit wiegt nicht nur schwer, man entkommt ihr auch nicht. Hackedepic­ciotto: 27. 2. Rhiz, 8., Lerchenfel­der Gürtel, U-Bahn-Bogen 37, 21.00

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Alexander Hacke und Gattin Danielle de Picciotto verkünden heute im Wiener Rhiz Unheil. Nur akustisch, versteht sich.

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