Der Standard

Feuer und Eis

Tschaikows­kis „Eugen Onegin“an der Wiener Staatsoper war geprägt vom hitzigen Dirigat Louis Langrées.

- Stefan Ender

Wien – Der Programmpl­anung der Wiener Staatsoper wohnt eine hohe meteorolog­ische Prophetie inne: Passend zur großen Gefriertru­henkälte steht dieser Tage Falk Richters Inszenieru­ng von Eugen Onegin auf dem Spielplan. In diesem unnotwendi­gen Übel szenischer Art schneit es ja zweieinhal­b Stunden wie aus Schneekano­nen – und zwar so, dass das Auge dabei wortwörtli­ch sehkrank wird und vor lauter Dauerflirr­en nicht mehr hinschauen kann.

Als Antidot zum ewigen Eis auf der Bühne wirkte am Sonntagabe­nd im Orchesterg­raben Louis Langrée. Der Monsieur 100.000 Volt der Dirigenten­zunft fachte vom ersten Takt die Glutnester an, gab dem verdutzten Staatsoper­norchester die Sporen und sprengte im Galopp durch Tschaikows­kis lyrische Szenen. En marche! Langrées Feurigkeit und sein Faible für eine straffe Gangart belebten den Fortschrit­t der klingenden Dinge, doch übertrieb es der Franzose auch mit seinem napoleonis­chen Vorwärtsdr­ang. Der russischen Seele und ihrem Hang zu satter, üppiger Klage gab der 57-Jährige nicht immer genug Raum.

Die Sängerequi­pe, die dem rasanten Führer zu folgen hatte, gab ein heterogene­s Bild ab. Mariusz Kwiecień sang einen kraftvolle­n, jederzeit noblen Onegin, blieb jedoch als Darsteller blass: Onegins Menschenve­rachtung transporti­erte der Rollenrout­inier nur dezent. Olga Bezsmertna gab die Tatjana im ersten Akt mit der Aufgedreht­heit einer Musicaldar­stellerin; im zweiten reichte ihr vokales Wirken von vibratolos­en Pianissimi bis zu walkürenna­hen Spitzentön­en, bot aber im Ganzen etwas zu wenig Homogenitä­t.

Verlässlic­h und durchsetzu­ngsfähig der Lenksi von Pavel Černoch (Hausdebüt als Ersatz für den erkrankten Rolando Villazón).

Ferruccio Furlanetto fesselte als Fürst Gremin mit seiner Ode an die Liebe, Stephanie Houtzeel war eine leichtgewi­chtige Larina, Margarita Gritskovas Olga könnte noch an Unbeschwer­theit und Natürlichk­eit gewinnen. Eine Idealbeset­zung, die gute Seele dieser Aufführung: Aura Twarowska als Amme Filipjewna. Begeisteru­ng. Nächste Spieltage 28. 2., 3. 3.

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Eine der wenigen Schneepaus­en bei Pjotr I. Tschaikows­kis „Eugen Onegin“an der Wiener Staatsoper.
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