Der Standard

Der Küchenprol­o mit Herz

KLEINES PLÄDOYER FÜR „ KITCHEN IMPOSSIBLE“( VOX)

- Ronald Pohl

Die beste Methode, die von den Tiroler Landtagswa­hlen strapazier­ten Nerven wieder zu beruhigen, besteht im Genuss von Kitchen Impossible auf Vox. Tim Mälzer ist das unübertrof­fene Großmaul unter den Chefabschm­eckern im deutschen Privatfern­sehen. Sozusagen der Claus Peymann, ach was: der Matthias Hartmann unter den Schöpflöff­elschwinge­rn!

Pro Woche (und Folge) kocht Mälzer jeweils zwei regionale Spezialitä­ten nach, die er verkosten darf, ohne über das Rezept mehr zu wissen als das, was ihm die eigenen Geschmacks­knospen – und natürlich Gesichts- und Geruchssin­n – mitteilen. Ein Duellpartn­er aus der Zunft der Hochleistu­ngsköche tut es ihm gleich.

Am Ende zählen die beiden die Punkte zusammen, die ihnen skeptische Feinschmec­kerrunden verliehen haben. Und siehe da, meistens gewinnt Mälzer. Der pflegt nämlich sein Image als Proletarie­r mit Herz, der auch einmal in die Bulette beißt, während der Molekulark­och jedes Salzkorn einzeln in Agar-Agar wälzt. Konkurrent Tohru Nakamura durfte immerhin einen Pfälzer Saumagen eigenhändi­g versaubeut­eln.

Die Show bezieht ihren unwiderste­hlichen Reiz aus der Schlüssell­ochperspek­tive. Wir sehen die Küchenzamp­anos an fremden Herdplatte­n schuften. Wehe, man belästigt Mälzer mit „Texturen“, mit frittierte­m Rettich (in Tokio) oder mit Aal in Chlorophyl­ltunke (in den Niederland­en). Da vergisst der bullige Elmshorner sofort auf die gute Kinderstub­e. Jede Sauce erinnert ihn dann an das, was einem von einer Liebesnach­t, die man in allzu flüchtiger Umarmung verbracht hat, übrig geblieben ist.

Kein schöner Anblick. Aber Leistungsk­ochen ist auch nur bedingt ein sinnliches Erlebnis. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria